Kürzlich ist ein neues Buch zur jüdischen Regionalgeschichte erschienen, nämlich eine groß angelegte Monographie über das jüdische Mattersburg: „Als im Burgenland noch das Schofarhorn ertönte. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Mattersburg und Umgebung“, verfasst von Gertraud Tometich, erschienen bei Edition Marlit.
Wir halten die Aufarbeitung jüdischer Regional- und Lokalgeschichte – für ein jüdisches Museum wenig überraschend – für ein grundsätzlich sinnvolles, wichtiges und förderungswertes Unternehmen, vorausgesetzt natürlich, dass die inhaltliche Qualität derselben stimmt. Die besagte Mattersburg-Monographie lässt uns vor diesem Hintergrund nun leider einigermaßen ratlos und verwundert zurück …
Wir ersparen uns hier ein Lamento über die nicht wenigen Mängel in Sachen Orthographie und Interpunktion, die sich – buchstäblich – vom Vorwort bis zur letzten Seite des Buches ziehen, über die dürftige technische Qualität mancher Bilder (v.a. S. 128), über die teils eigenartig archaische Ausdrucksweise (beispielsweise firmiert das Grab des Chatam Sofer in Bratislava unter dem Titel „Judendenkmäler“: S. 58) und Ähnliches mehr. Über all das mag man letztlich hinwegsehen können, so ärgerlich es mitunter für den Leser sein mag.
Nicht hinwegsehen kann man dagegen darüber, dass Teile des Buches – man muss es leider sagen – sachlich problematisch, missverständlich oder auch schlicht inhaltlich fehlerhaft sind.
An einigen – besonders augenfälligen – Beispielen:
In einer Zeitleiste, u.a. zu den rechtlichen Entwicklungen in Ungarn, ist davon die Rede, dass das Judentum 1895 „als Staatsreligion [!] anerkannt“ worden sei (S. 14). Ernsthaft – das Judentum als „Staatsreligion„? Was tatsächlich gemeint ist, ist offenbar der Umstand, dass die jüdische Religion 1895 den Status „volle[r] gesetzliche[r] Anerkennung“ erlangte – sodass nun allererst „das Ziel der vollständigen Emanzipation als erreicht betrachtet werden [konnte]“ (W. Bihl: Das Judentum Ungarns 1780-1914. In: Studia Judaica Austriaca. Bd. III. Studien zum ungarischen Judentum. Eisenstadt 1976. S. 17-31, hier 22).
Zwei Fotos auf S. 122 zeigen Textilien mit hebräischer Aufschrift – beide stehen allerdings auf dem Kopf! (Zudem ist die Bildbeschriftung, „Thora-Decken“, zumindest ungewöhnlich und auch uneindeutig – in einem Fall handelt es sich jedenfalls um einen Tora-Vorhang).
An anderer Stelle wird das Laubhüttenfest wie folgt erläutert:
Das rituelle Laubhüttenfest (Sukka) [!] ist ein Dankesfest und wird im Herbst begangen. Es erinnert an den 40-tägigen [!] Aufenthalt der Juden in der Wüste …
(S. 115)
Nun heißt das Fest aber nicht „Sukka“, sondern „Sukkot“ (die Pluralform zu „Sukka“, „Hütte“); und das Volk Israel benötigte für seinen Wüstenzug bekanntlich nicht 40 Tage, sondern 40 Jahre (siehe z.B. Josua 5,6)!
Es sind basale Sachverhalte, die hier offenkundig schlicht nicht korrekt dargestellt werden.
Die Reihe ließe sich problemlos fortsetzen. In Summe muss hier, bei aller Sympathie für das grundsätzliche Anliegen eines solchen Buches, die Frage erlaubt sein, ob der Sache angesichts solcher eklatanter Defizite tatsächlich noch gedient ist. Diese Bedenken verschärfen sich noch, wenn man sich die Rezeptionswege vergegenwärtigt, die für Bücher mit solcher und ähnlicher Thematik typisch sind: ihre Verwendung gerade durch LehrerInnen und Studierende, ihre Heranziehung für schulische Projekte, Maturaarbeiten usf.
Die gute Absicht aller Beteiligten in Ehren – sie allein ist leider nicht genug …