Es war ein glücklicher Zufall. Jennifer Kickert, Schriftführerin des Vereins „Rettet den jüdischen Friedhof Währing“ veröffentlichte auf Facebook ein Foto eines Grabsteins, der mich faszinierte. Ich ersuchte sie, mir das Foto zu schicken und war dann ein wenig frustriert, weil ich außer dem Vornamen des Verstorbenen nichts erkennen konnte, große Teile der Inschrift waren stark verderbt.
So besuchte ich vor einigen Tagen gemeinsam mit Wolf-Erich Eckstein den jüdischen Friedhof Währing und Wolf-Erich konnte aufgrund seines akribisch angelegten Lageplans den Grabstein, noch mit Vorbehalt, identifizieren.
Ein Abgleich mit der alten Abschrift aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts machte mich aber sicher:
Es handelt sich um den Grabstein von Rabbiner Zvi Hirsch Landmann, gest. 25. November 1867, ein chassidischer Wunderrabbi aus Galizien, dem bis heute allerhöchste Verehrung entgegengebracht wird.
Zunächst fiel auf, dass die Inschrift auf dem Grabstein von Rabbi Zvi Hirsch Landmann, und das verwundert bei einem Gelehrten seines Formats, ausgesprochen fehlerhaft ist. Vor allem das Todesdatum ist völlig falsch.
Kurz vor dem 14. Juni 1867 war Rabbi Zvi Hirsch Landmann in Wien angekommen, gute fünf Monate später ist er ebendort gestorben und wurde am jüdischen Friedhof Währing begraben.
1941 wurde der Leichnam von Rabbi Landmann exhumiert und auf dem Zentralfriedhof, Tor IV, wiederbestattet.
Durch das Exhumierungsprotokoll der Israelitischen Kultusgemeinde (heute im Bestand des Zentralarchivs für die Geschichte des jüdischen Volkes, Jerusalem) erfahren wir von einem Wunder, das sich in der Nacht nach dem Aufstellen des Grabsteins auf dem Grab des großen Gelehrten ereignete:
Der Verstorbene war ein überaus gottesfürchtiger frommer Mensch, der in seiner besonderen Bescheidenheit die letztwillige Verfügung traf, dass auf seinem Grab nur ein kleiner Sandstein aufgestellt werden dürfte. Die dankbare Gemeinde errichtete ihm jedoch einen Prunkstein aus Granit. Am Tage nach erfolgter Aufstellung fand der Friedhofverwalter den sonst unzerbrechlichen Granitstein in kleinste Stücke zersplittert. An Stelle des Granitsteines wurde dann der […] Sandstein zur Aufstellung gebracht.
Vielleicht aber war das gar nicht das einzige Wunder, das im Zusammenhang mit dem Grabstein von Rabbiner Zvi Hirsch Landmann geschah. Denn im Exhumierungsprotokoll von 1941 erfahren wir sehr detailliert über das Aussehen der Grabstätte von Rabbiner Landmann ‒ und diese sieht heute ganz anders aus…
Rabbi Zwi aus Kuttow, gestorben am […], beerdigt gewesen […] am Wege auf der Grabstätte befand sich ein ca. 1 1/2 Meter hoher Sandstein, der von den Arbeitern der Israelitischen Kultusgemeinde umgelegt wurde. Zur Hälfte stand auf der Grabstätte ein hoher, im Absterben begriffener Baum, dessen Wurzeln teilweise bin den Sarg reichten. Infolge der aus den Wurzeln des Baumes dauernd sickernden Feuchtigkeit, war die Leiche sehr verwest. Der Kopf war wohl in tadellosem Zustand, jedoch die Hände und Fußknochen lagen teilweise zersplittert, die Rippen überhaupt in Staub zerfallen […].
Heute steht (!) der Grabstein aus Sandstein, weit und breit keine Spur von einem Baum, der noch vor 80 Jahren dort gewesen hätte sein können…