Vergangene Woche fand im Museum wieder ein Hebräischkurs statt. In mehrfacher Hinsicht ein besonderer. Aber zuerst ein Blick zurück in die mittlerweile 15-jährige Geschichte unserer Kurse:
Die Idee, in unserem Museum Hebräischkurse anzubieten, war nicht so ungewöhnlich, sondern hing sicher in erster Linie damit zusammen, dass ich selbst seit meiner Mittelschulzeit die hebräische Sprache über alles liebe und auch meine Schwerpunkte während des Studiums auf der semitischen Philologie allgemein und auf der hebräischen im Besonderen lagen. Ich stehe nicht an hier, spät, aber von ganzem Herzen, meinen beiden hervorragenden Hebräischlehrern Arje Leon Slutzky und Fritz Werner zu danken. Bessere kann ich mir nicht vorstellen.
Während etwa das Jüdische Museum Hohenems viele Jahre Jiddischkurse anbot, war die Entscheidung, in Eisenstadt vor allem Hebräisch zu unterrichten, auch sachlich gerechtfertigt. Ohne hier auf Erklärungen zu oder die Geschichte und Definitionen von „Jiddisch“ näher eingehen zu wollen (vielleicht in einem eigenen Beitrag einmal), bleibt festzuhalten, dass im Burgenland so gut wie nicht Jiddisch gesprochen wurde und das Jiddische auch kaum als Schriftsprache Verwendung fand.
Im Jahr 1998 erschien von Israel A. Glück, einem ehemaligen Lackenbacher, der nach Israel fliehen musste, seine „Kindheit in Lackenbach“. Im Kapitel „Von der Erde verschwunden“ schreibt er:
Obwohl das Burgenland zu Ungarn gehörte, bedienten sich die dortigen Juden der deutschen Sprache. …
… Im Gegensatz zu ihren osteuropäischen Glaubensgenossen kleideten sich die burgenländischen Juden wie ihre christlichen Mitbürger, trugen dieselbe Haartracht – abgesehen von den Perücken der verheirateten Frauen. Sie sprachen nicht jiddisch sondern deutsch – meistens ein besseres als die örtliche Bevölkerung. In ihren Schulen wurde dasselbe unterrichtet wie in den öffentlichen – mit Ausnahme des Religionsunterrichts. …
Wir haben es aus authentischer Quelle gehört: Im Burgenland sprachen die Juden also Deutsch, nicht Deutsch-Jüdisch und schon gar nicht Jiddisch. In den schriftlichen Quellen der 7-Gemeinden finden sich Texte in reinem Hebräisch (gelegentlich mit Aramäismen vermischt), Texte in Deutsch mit hebräischen Buchstaben, Texte in Deutsch, die stark mit hebräischen Termini interferiert wurden (aber natürlich trotzdem Deutsch bleiben – wir meinen doch auch nicht Latein zu sprechen, wenn wir sagen, dass wir mit dem „Paternoster“ in den 2. Stock fahren ;-) !) und nur einige wenige Texte in Judendeutsch, naheliegenderweise mit hebräischen Buchstaben geschrieben (das sind jene Texte, die – folgen wir der offiziellen Terminologie der wissenschaftlichen Literatur nach 1945 – der „Jiddisch“ genannten Sprache nahe kommen).
Sehr oft fällt uns auch bei hebräischen Urkunden der sogenannte Kanzleistil auf, der zweifellos einen ganz besonderen Reiz hat. Dieser Stil eignet sich – abgesehen von allen literarischen Ansprüchen – dafür, die Dinge klar und eindeutig in einwandfreier juristischer Form hervorzuheben.
Zum Kanzleistil in der Praxis: Eine Verordnung, zum Beispiel die Bedingungen für die Aufnahme eines Juden in den Gemeindeverband der heiligen jüdischen Gemeinde Eisenstadt, ist in hebräischer Schrift und hebräischer Sprache abgefasst und beginnt mit den Worten:
… להודיע להאי דמאן דבעי למדע בתחלה ובסוף בלי העלם בנתים איך …
… Zu wissen, für jeden, der es wissen will, ohne jeden Zwischengedanken, dass ich Endesunterfertigter Rafael ben Meir, s(eligen) A(ndenkens), meine Tochter Chaja dem Jüngling …
Es handelt sich beim hebräischen Text um wörtliche Zitate aus den talmudischen Traktaten Horajot und Schavuot (also aramäische Texte), womit der Urkundentext über weite Strecken nur verständlich ist, wenn man die rabbinischen Zitate auch aus dem Stegreif abrufen kann!
Schon 1994 schrieben wir also den ersten Hebräischkurs aus. Die Formulierungen in der Einladung („Schnupperkurs“, „mindestens 5 TeilnehmerInnen“ etc.) spiegeln unsere damalige Unsicherheit wider, weil wir nicht abschätzen konnten, ob sich in Eisenstadt genügend Interessenten finden würden.
Die Überraschung war groß. Obwohl um Voranmeldung gebeten wurde, erschienen am ersten der insgesamt 10 Abende 50 TeilnehmerInnen, die den Kurs dann auch tatsächlich bis zum Schluss durchhielten. Alle Altersgruppen und alle Berufe waren vertreten, wir teilten die Interessierten spontan auf zwei Gruppen auf und noch heute haben wir mit fast allen Teilnehmern/Teilnehmerinnen von damals guten Kontakt. Es ist einfach schön, wenn wir einander treffen und noch immer häufig die Rede auf den Kurs von damals kommt.
Da es im Kurs darum ging, die hebräische Sprache und Schrift einmal ganz grundsätzlich kennenzulernen, wurde in der Kurspraxis auch keine Rücksicht auf die verschiedenen Sprachstufen genommen (wie Ivrit, Bibelhebräisch etc.), die Schriftlehre dominierte, einfach Beispiele aus der hebräischen Bibel, Grabinschriften, leichte moderne hebräische Lektüre und einige jiddische Texte sollten die Vielfalt, aber auch die Kontinuität des Hebräischen zeigen.
Obwohl der Kurs als ausschließlicher „Anfängerkurs“ konzipiert war, fanden doch noch mit einigen Interessierten Fortgeschrittenenkurse im Museum statt. 2002 übersiedelte ich dann mit den Kursen nach Salzburg, die nun österreichweit ausgeschrieben wurden. Die 10-jährige Lehrerfahrung an der Universität, aber viel mehr die langjährige Erfahrung mit den Kursen in Eisenstadt und Salzburg führten zur Publikation des Buches „Hebräisch. Eine kurzweilige Reise durch das Alef-Bet“. Das Buch war binnen kürzester Zeit ausverkauft, ich hoffe, dass sich eine (überarbeitete) Neuauflage bald realisieren lässt.
Eine kleine Gruppe von Damen aus Österreich und Deutschland, die den Kurs in Salzburg absolviert hatten, wollten gleich weiterlernen und übersiedelten für fortführende Kurse nach Eisenstadt. Mittlerweile sind auch Herren zu uns gestoßen, bis auf eine Ausnahme kommen alle von den Anfängerkursen in Salzburg. Wir trafen einander heuer bereits das fünfte Jahr im Museum, es waren für beide Seiten sehr anstrengende, aber vor allem auch wieder sehr schöne Tage.
Ich finde es wirklich schön, dass Menschen Zeit finden, trotz zum Teil stressigen Berufslebens, jährlich einige Tage ins jüdische Museum nach Eisenstadt zu fahren und hier mit größter Begeisterung ihr Hebräisch pflegen und vertiefen, obwohl das beruflich niemand von ihnen braucht. Ich bewundere wirklich jede Teilnehmerin/jeden Teilnehmer.
Ich finde es sehr spannend und als echte Herausforderung, die so verschiedenen Interessensschwerpunkte in der kleinen Gruppe (Modernes Hebräisch für Israelaufenthalte, Bibelhebräisch, sprachwissenschaftlicher Fokus usw.) so unter einen Hut zu bringen, dass alle daran Freude haben.
Jedenfalls wurden die Zimmer in Eisenstadt für den Kurs 2010 schon reserviert.
Und nicht zuletzt bin ich dankbar, dass ich im Museum die Möglichkeit habe, weit abseits des musealen Mainstreams eine Veranstaltung dieser mikroskopisch kleinen Größenordnung (4-5 TeilnehmerInnen) durchzuführen.
Sprache ist ein sehr zentraler Teil von Kultur. Daher darf es als durchaus bedeutsam gewertet werden, wenn der hebräischen Sprache in Österreich ein durchaus vielschichtiges und qualifiziertes Interesse entgegengebracht wird – ein Interesse, das sich nicht auf den Kreis jüdischer Sprecherinnen und Sprecher beschränkt. Daher ist die breitere Vermittlung von Sprachkenntnissen, wie sie von diversen Volksbildungsinstitutionen betrieben wird, als integrativer Beitrag zu einer differenzierten und gleichzeitig toleranten Gesellschaft zu begrüßen.
Markus Ladstätter
Selbstverständlich ist aber auch wieder ein Anfängerkurs hier im jüdischen Museum in Eisenstadt geplant. Wir sind optimistisch, dass sich genügend Interessenten finden. Zu unserem Programmpunkt „Hebräisch in 60 Minuten“ in der Langen Nacht der Museen im vergangenen Jahr kamen immerhin mehr als 70 Interessierte.
Wenn Sie auch Interesse haben, kontaktieren Sie uns bitte. Denn vielleicht stimmt es ja, dass Hebräisch die Sprache der Engel im Himmel ist und es sich dann lohnt, sie bereits auf Erden zu erlernen ;-)
Als Beilage zu unserer heutigen Melange empfehlen wir Ihnen das Anhören des Psalms 23, wie ihn niemand Geringerer als Schalom Ben-Chorin (-> „Zum Inhalt“ -> „Psalm 23 in Hebräisch“) hebräisch liest. Der Psalm hat uns durch den gesamten Kurs begleitet.