Am kommenden Dienstag ist Erev Schawu’ot, der Vorabend des Schawu’otfestes. Schawu’ot („Wochenfest“) – „das Fest mit den vielen Namen“, wie es Rabbiner Joel Berger nennt. Allen voran ist es neben…
Am kommenden Dienstag ist Erev Schawu’ot, der Vorabend des Schawu’otfestes. Schawu’ot („Wochenfest“) – „das Fest mit den vielen Namen“, wie es Rabbiner Joel Berger nennt. Allen voran ist es neben dem „Fest der Erstlingsfrüchte“ das „Fest der Toragebung“ (זמן מתן תורתנו „sman matan toratenu“): Gott hat dem Volk Israel durch Mose die Tora gegeben. Von vielen wird dieser Tag auch als der Tag gesehen, an dem Israel die 10 Gebote erhielt.
Eine wohl nicht so bekannte, aber höchst eindrucksvolle Darstellung der Gesetzgebung auf dem Sinai finden wir in der berühmten Amsterdamer Haggada, sowohl in der Erstausgabe von 1695 als auch in der Ausgabe von 1712.
Unter dem Bild finden sich 2 Zitate: 1) משה ידבר והאלהים יעננו בקול „… Mose redete und Gott antwortete im Donner“ (2. Buch Mose 19,19) und 2) ויאמרו כל אשר דבר יהוה נעשה ונשמע „…Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun; wir wollen gehorchen“ (2. Buch Mose 24,7).
(Scan aus „Schubert U., Jüdische Buchkunst, 2. Teil, Graz 1992, Abb. 66“)
Schon 1625 hatte Matthäus Merian d.Ä. seine „Icones Biblicae“ als Kupferstiche mit Versen und Reimen in 3 Sprachen herausgebracht. 1630 erschien in Straßburg die Lutherbibel, in der Merian die Kupferplatten erstmals zur Illustration einer Foliobibel verwendet und die Zahl der Bilder erweitert hatte. Das Zeitalter des Kupferstichs in der Bibelillustration hatte damit begonnen und die Holzschnitte abgelöst.
Etwa zur selben Zeit, nämlich 1626, gründete Menasse ben Israel in Amsterdam eine hebräische Druckerei und gab eigene, neue Schrifttypen in Auftrag. Das „Be’otiot Amsterdam“ (באותיות אמסטרדם „Mit den Buchstaben von Amsterdam“), von vielen (nicht-niederländischen) Schreibern auf die Titelseiten gesetzt, ist legendär, wenngleich oft unrichtig und nur verwendet, weil die Qualität der Amsterdamer Buchstaben so hervorragend war.
Bald entsprachen Holzschnittillustrationen nicht mehr den Wünschen der jüdischen Gemeinde von Amsterdam, im 17. Jahrhundert hatte der Kupferstich in den hebräischen bzw. judendeutschen Drucken bislang nur auf der Titelseite Verwendung gefunden.
Auch ein erst in den 80er-Jahren des 17. Jahrhunderts zum Judentum konvertierter christlicher Theologe (so die opinio communis) war von den neuen Kupferstichtechniken angetan und in Amsterdam als Kupferstecher tätig. Die bedeutendste Arbeit dieses Abraham bar Jakob sind die im Auftrag des Aluph Mose Wesel geschaffenen Kupferstichillustrationen für die 1695 in Amsterdam gedruckte sogenannte Amsterdamer Haggada.
Wohl dem Manne (M. Wesel), der die Weisheit gefunden und mich (Abraham bar Jakob) den Weg im heiligen Handwerk gewiesen hat … Früher, heißt es, wurden die Bilder in Holz geschnitten, was nicht so glanzvoll war, … Heute, da die Bilder in Kupfer gestochen sind, ist es wie der Vorzug des Lichtes gegenüber der Finsternis, ein Höchstmaß an Schönheit.
Als Vorlage für die Haggada-Illustrationen herangezogen – ob vom Auftraggeber angeregt oder vom Künstler, bleibt offen – wurden jedenfalls die bei christlichen Käufern sehr beliebten Kupferstiche des eingangs erwähnten Matthäus Merian d.Ä. Dass die Amsterdamer Haggada dadurch völlig um das rabbinische Legendengut gebracht wurde, liegt auf der Hand, die Kupferstiche von Matthäus Merian waren für die Illustrierung der Pesach-Haggada völlig ungeeignet. Weitere schwerwiegende Mängel und das Fehlen aller Ritusdarstellungen sowie traditioneller Textillustrationen in der Erstausgabe von 1695 führten jedenfalls zu heftigen Widerständen.
Die Neuauflage von 1712 sollte hier Abhilfe schaffen, beide Ausgaben der Amsterdamer Haggada wurden v.a. aufgrund der Neuordnung ihrer Bilder als auch der neuen Technik zur Vorlage für fast alle jüdischen Illustratoren des 18. Jahrhunderts.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern unserer Koscheren Melange ein fröhliches Schavu’ot!
חג שבועות שמח!