Koschere Melange

Das Blog des Österreichischen Jüdischen Museums - ISSN 2410-6380

Schlagwort: hebräisch

Inschriften in der ehemaligen Synagoge Kobersdorf II

Schon am 20. Juli 2020 waren in der ehemaligen Synagoge von Kobersdorf bei den Renovierungsarbeiten zwei Inschriften zu erkennen, die hier im Blog transkribiert und übersetzt wurden. Beide Inschriften waren…

Schon am 20. Juli 2020 waren in der ehemaligen Synagoge von Kobersdorf bei den Renovierungsarbeiten zwei Inschriften zu erkennen, die hier im Blog transkribiert und übersetzt wurden. Beide Inschriften waren damals aber noch nicht gänzlich freigelegt, in den folgenden zwei Jahren wurden zudem noch weitere Inschriften entdeckt.

Daher sollen in einem zweiten Blogartikel alle vier freigelegten und vom Restaurator mittlerweile größtenteils lesbar gemachten Inschriften hier vorgestellt und erklärt werden:

Inschrift über der Nische für das Handwaschbecken im Vorraum



Die Inschrift

Inschrift Handwaschbecken II Synagoge Kobersdorf: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] Ich wasche meine Hände in Unschuld und umschreite deinen Altar, Herr. ארחץ בנקיון כפי ואסובבה את מזבחך ה’


Anmerkungen

Psalm 26,6 אֶרְחַ֣ץ בְּנִקָּיֹ֣ון כַּפָּ֑י וַאֲסֹבְבָ֖ה אֶת־מִזְבַּחֲךָ֣ יְהוָֽה׃.

Im masoretischen, also vokalisierten Text in der hebräischen Bibel ist das vierte Wort defektiv geschrieben וַאֲסֹבְבָ֖ה, in der Synagogeninschrift plene ואסובבה, wohl wegen der unvokalisierten Schreibung.

Das Tetragramm, also jene vier Buchstaben, die den Namen Gottes bezeichnen, ist in der Inschrift in der ehemaligen Synagoge Kobersdorf mit einem ה (für יהוה) abgekürzt. Vgl. auch die Inschrift über der Tür zum Hauptraum unten.


Inschrift über der Tür zum Hauptraum



Die Inschrift

Inschrift Türe Synagoge Kobersdorf: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] Gesegnet sei, der da kommt, im Namen des HERRN! ברוך הבא בשם ה’


Anmerkungen

Psalm 118,26a בָּר֣וּךְ הַ֭בָּא בְּשֵׁ֣ם יְהוָ֑ה.

Das Tetragramm, also jene vier Buchstaben, die den Namen Gottes bezeichnen, ist in der Inschrift in der ehemaligen Synagoge Kobersdorf abgekürzt. Sehr wahrscheinlich mit einem ה (für יהוה), vgl. die Inschrift über dem Waschbecken oben.


Inschrift über der Spendenbox im Vorraum, rechts von der Tür zum Hauptraum


Inschrift über der Spendenbox im Vorraum, rechts neben der Tür zum Hauptraum der ehemaligen Synagoge Kobersdorf

Inschrift über der Spendenbox im Vorraum, rechts neben der Tür zum Hauptraum der ehemaligen Synagoge Kobersdorf


Die Inschrift

Inschrift Spendenboxen rechts Synagoge Kobersdorf: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] Ein Geschenk im Geheimen besänftigt den Zorn. מתן בסתר יכפה אף


Anmerkungen

Sprüche 21,14a מַתָּ֣ן בַּ֭סֵּתֶר יִכְפֶּה־אָ֑ף.
Gemeint ist natürlich der Zorn Gottes.

Die selbe Inschrift bzw. der selbe Vers als Inschrift befindet sich auch über der Spendenbox in der Synagoge im Wertheimerhaus (Österreichisches Jüdisches Museum), dort allerdings als Akrostychon: Es werden nur die jeweils ersten Buchstaben der Worte im Vers geschrieben. Siehe unseren Blogartikel.


Inschrift über der Spendenbox im Vorraum, links von der Tür zum Hauptraum


Inschrift über der Spendenbox im Vorraum, links neben der Tür zum Hauptraum der ehemaligen Synagoge Kobersdorf

Inschrift über der Spendenbox im Vorraum, links neben der Tür zum Hauptraum der ehemaligen Synagoge Kobersdorf


Die Inschrift


Anmerkungen

Diese Inschrift wurde vom Restaurator noch nicht bearbeitet (Stand 15. Mai 2022). Sobald dies geschehen ist und ich ein aktuelles Foto habe, werde ich das Foto oben selbstverständlich sofort austauschen.

Zeile 1: Diese Zeile war 2020 noch nicht freigelegt. Obwohl nur zweieinhalb Buchstaben zu sehen sind, ist die Lesung praktisch sicher.

Zeile 2: Vor ארץ ישראל befindet sich noch ein Wort, ob dieses aus drei oder vier Buchstaben besteht, ist aber schwer zu sagen. Jedenfalls ist es sehr wahrscheinlich, dass der letzte Buchstabe dieses Wortes ein ת ist, was die Lesung קופת (4 Buchstaben) oder קפת (3 Buchstaben) nahelegt.
Siehe dazu vor allem die Kommentare von Meir Deutsch zum Blogartikel von 2020!

Die Gelder für „Erez Israel“, also das Heilige Land, werden Chalukka חלוקה „Verteilung“ genannt und waren für die armen Leute bestimmt, siehe etwa den Artikel in der Jewish Encyclopedia darüber.

Rabbiner Esriel Hildesheimer (1820-1899), der „deutsche Doktor“ (wie er genannt wurde), Rabbiner in Eisenstadt von 1851 bis 1869, sammelte alljährlich im ganzen Land Geld für die aus Östererich-Ungarn stammenden Jüdinnen und Juden in Palästina und arbeitete für sie Projekte aus, die sich als ausgesprochen nützlich erweisen sollten.

Zeile 1 und 2: Über drei Buchstaben befinden sich Punkte, die ziemlich sicher auf eine Jahreszahl hinweisen. Diese würden, bezieht man das ל (Zahlenwert 30) in die Jahreszahl mit ein, 434 ergeben, also umgerechnet 1674. War auch über dem ר (Zahlenwert 200) von ארץ oder von ישראל ein Punkt (der heute nicht mehr sichtbar ist), wären wir bei 634 und umgerechnet bei 1874. Möglich, dass damals die Spendenboxen eingebaut, jedenfalls aber beschriftet wurden.
Interpretieren wir das ל als Abbreviatur für לפ“ק „nach der kleinen Zeitrechnung“, sehen wir auf den beiden Buchstaben in der 1. Zeile heute nur noch den addierten Zahlenwert 404 (ת ist 400 und ד ist 4), also 1644. Dann fehlen allerdings noch (mindestens) 216, um auf 1860, das Gründungsjahr der Synagoge von Kobersdorf zu kommen. Alles weitere ist, fürchte ich, wenig zielführende Spekulation.
Die Punkte über den drei Buchstaben reichen jedenfalls nicht aus, um einigermaßen sichere Schlüsse über die Jahreszahl (und um eine solche handelt es sich höchst wahrscheinlich) zu ziehen.


Vielen lieben Dank für die Kommentare an Meir Deutsch und für das Korrekturlesen der letzten neu freigelegten Inschrift an Claudia Markovits Krempke, beide Israel!


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Meine Kindheit in der Judengasse in Eisenstadt

Diesen Artikel schrieb Professor Meir Ayali, seligen Andenkens, im Jahr 1988 und wurde von mir aus dem Hebräischen übersetzt. Meir Eugen Ayali wurde am 10. Juli 1913 als Sohn von…

Diesen Artikel schrieb Professor Meir Ayali, seligen Andenkens, im Jahr 1988 und wurde von mir aus dem Hebräischen übersetzt. Meir Eugen Ayali wurde am 10. Juli 1913 als Sohn von Jehuda Hirschler und Esther Kohn im Wertheimerhaus in Eisenstadt, in dem sich heute das jüdische Museum befindet, geboren. Er starb am 01. Mai 2001 in Israel.
Ein berührender Artikel über seine Kindheit in einer ausgelöschten Welt.

Schabbatkette jüdisches Viertel Eisenstadt

Insgesamt standen 31 Häuser in der Judengasse, die sich wie ein umgekehrtes Dalet (ד = vierter Buchstabe im hebräischen Alphabet) erstreckte: beginnend bei den beiden Säulen mit der Kette im Osten bis zu den Häusern im Westen, die an das Spital der ›Barmherzigen Brüder‹ grenzten und von hier verlief sie in Richtung Norden bis zum Tor des alten Friedhofs. An der Südwestecke, beim Ausgang auf die ›Straße‹, befand sich ein Gittertor, das, ähnlich den dicken und schweren Eisenketten im Osten, auch an den Abenden vor Schabbattagen und Festen bis zum Ausgang des Schabbats bzw. des Festes für jeglichen Fahrzeugverkehr geschlossen wurde. Wie in früheren Jahren war in den Tagen meiner Kindheit und Jugend die autonome Gemeindestruktur der Gasse mit dem Namen Unterberg-Eisenstadt noch beibehalten und wir hatten einen eigenen Bürgermeister. Sogar als Kinder waren wir sehr stolz auf dieses Recht, das ein zusätzliches Flair auf den besonderen Charakter des Judenviertels und auf die Lebensatmosphäre in ihm ausübte.

31 Häuser: auf dem Tor eines jeden war eine kleine Tafel aus Holz oder Blech angebracht, auf die der Schames (Synagogendiener) zweimal am Tag dreimal schlug ‒ ta, ta, ta ‒ um bekannt zu geben, dass die Zeit des Morgen-, Mittag- oder Abendgebetes gekommen ist. Mit großer Pünktlichkeit, fünf Minuten vor dem Beginn des Gebetes in der Synagoge, schlug Herr Feldmann mit einem dicken Holzhammer auf das Tor Nr. 1, das Haus des Gabriel, das neben der Kette stand, und beendete binnen fünf Minuten die Runde beim Haus Nr. 31, das gegenüber (vom Haus Nr. 1), ebenfalls neben der Kette, war. In diesem Haus, Nr. 31, das heute ›Wertheimerhaus‹ genannt wird (mit Recht, denn es wurde von Rabbi Samson Wertheimer erbaut), und das im Besitz der Familie Wolf war, wohnten wir. Das Tor des Hauses ging auf die Judengasse, unsere Fenster schauten nach Osten; von ihnen blickten wir auf die Türme des Schlosses Esterházy, zum Hofgarten und auch auf die Abhänge des nahe gelegenen Waldes. Noch klingt in meinen Ohren das Zwitschern der Lerchen, das vom Park und vom Wald her den Morgen der Sommertage durchbrach, und ich erinnere mich an die sorglosen und glücklichen Tage meiner Kindheit in diesen Jahren, als auch die Erwachsenen nicht ahnen konnten, welche Vipern in Menschengestalt in viel späteren Jahren von allen Seiten hervorbrechen würden. Die Häuser der Gasse waren klein, die meisten von ihnen einstöckig, einfach und bescheiden; aber einige waren in ihrem Stil sehr pittoresk, und die Maler malten besonders gern das letzte Haus im oberen Teil der ›Oberen Gasse‹, links vom Tor des Friedhofes (an seiner Stelle befindet sich heute der Eingang zum Krankenhaus). Auf den Türstürzen einiger Häuser waren Krugformen ziseliert, um zu kennzeichnen, dass ihre Besitzer Leviten waren, die beim Gottesdienst die Handflächen der Priester wuschen, bevor diese auf das Podium stiegen, um das Volk zu segnen. Es scheint mir, dass Reliefs wie diese noch auf den Toren von zwei Häusern erhalten sind.

Neben dem Wertheimerhaus stand das Strohhaus, in dem im Jahr 1761 Rabbi Akiba Eger geboren wurde, der durch seine Lehre die Diaspora Israels erleuchtete, und der auch, als er schon Rabbiner von Posen war, seine Responsen ›Akiba, Sohn des Rabbi Mose Güns aus Eisenstadt‹ unterzeichnet hatte. Die Grabsteine von Rabbi Mose Güns und seinen Familienangehörigen sind noch auf dem alten Friedhof erhalten, nicht weit vom Grab des berühmtesten der Rabbiner Eisenstadts, des MaHaRaM Asch, (Rabbi Meir Eisenstadt), dem Verfasser der Bücher ›Panim me’irot‹ (›Leuchtendes Antlitz‹). Wenn nicht neue Vandalen kommen, werden diese Gräber noch viele Generationen erhalten bleiben.

Ehemalige Privatsynagoge Samson Wertheimers, heute im Österreichischen Jüdischen Museum

Ehemalige Privatsynagoge Samson Wertheimers, heute im Österreichischen Jüdischen Museum



Gegenüber diesem Haus stand die große Synagoge (zu unterscheiden von der ›Kleinen Schul‹, die Samson Wertheimer in seinem Haus gebaut hat; in ihr betete man zu meiner Zeit nur an hohen Feiertagen und an besonderen Festen. Sie wurde jetzt von neuem, dank der Anstrengungen von Prof. Kurt Schubert (04. März 1923 – 04. Februar 2007), wieder hergestellt). Mit der großen Synagoge waren das ›Gemeinde-Haus‹, die Rabbinerwohnung, das Badehaus und die Mikwe sowie das ›Schiurzimmer‹, in dem die großen Rabbiner von Eisenstadt ihren Schülern Unterricht gaben, verbunden. Hier errichtete der Rabbiner Asriel Hildesheimer in der Mitte des vorigen Jahrhunderts seine berühmte Jeschiva (Rabbinatsschule), ehe er nach Berlin übersiedelte, wo er das bekannte Rabbinerseminar gründete. In meiner Kindheit kannte ich noch einen seiner letzten Schüler in Eisenstadt, Herrn Asriel Wolf, einen alten Junggesellen, den mein gottseliger Vater als einen wahren Toragelehrten überaus schätzte; in ihm vereinten sich Tora und Lebensweisheit. Zu ihm schickte mich mein Vater manchmal am Schabbat Vormittag ›zum Verhör‹.

Hier, in der Synagoge und ihrer Umgebung, war das Zentrum des Gemeindelebens. Hier versammelten sich die Gemeindemitglieder an Wochen-, Schabbat- und Feiertagen zum Gebet. An den hohen Feiertagen kamen sie und ihre Familienangehörigen, auch jene, die in anderen Teilen der Stadt wohnten, sowie Juden aus den umliegenden Dörfern. Als Kinder fühlten wir nur die Atmosphäre der Heiligkeit, die sich während dieser Zusammenkünfte ausbreitete; wir wussten nur wenig von den Sorgen, die die Herzen unserer Eltern und der übrigen Betenden erfüllten, ‒ Unterhalts-, Erziehungs- und Gesundheitssorgen. Hier kamen die meisten der Gemeindemitglieder zusammen: Händler, Handwerker, Beamte und Lehrer, Weinkellerarbeiter, Ärzte und Rechtsanwälte. Sobald sie in ihren Tallit (Gebetsmantel) gehüllt oder mit dem weißen ›Kittl‹ an den hohen Feiertagen bekleidet waren, konnte man an ihnen keinen Standesunterschied erkennen.

Die Feste verbreiteten eine besondere Atmosphäre in der Gasse. Ernst und mit Ehrfurcht im Herzen kamen die Leute zu Neujahr und am Versöhnungstag in die Synagoge, so wie es sich an Tagen gebührt, an denen der Mensch gefordert ist, sein Gewissen zu erforschen und er seinem Los im kommenden Jahr entgegenbangt. Aber schon in der Woche vor diesen Festen, an den kühlen Morgen des Monats September, vor dem Aufgehen der Morgenröte, gingen wir schweigend in die beleuchtete Synagoge und sagten die ›Slichot‹ (Bußgebete) als Vorbereitung auf die hohen Feiertage. Uns Kindern schien es, als wäre die ganze Welt jetzt in tiefen Ernst gehüllt. Aber gleich nach diesen Feiertagen kamen die Tage des Laubhüttenfestes und in allen Höfen wurden Laubhütten mit dem ›Skakh‹ (Laub, um die Laubhütte zu bedecken) aufgestellt; die Bedeckung bestand aus grünen, wohlduftenden Zweigen. Die Dekorationen an den Wänden gestalteten wir Kinder: vielfärbige Sterne, angefertigt aus glänzendem Buntpapier. Wir lernten diese Kunst in den Handarbeitsstunden in der jüdischen Volksschule, die hinter dem Hof des ›Strohhauses‹ stand. Die Herbstluft war bei diesem Fest schon getränkt vom Duft der Weintrauben und des Mostes, der aus allen Weinbergen und Weinkellern rundum aufstieg. Der letzte Tag des Sukkotfestes ‒ es ist der Tag von ›Simchat tora‹ (Freudenfest der Tora), an dem das Lesen der Toraabschnitte endet und von Neuem beginnt ‒ entschädigte uns für den tiefen Ernst an den Festen, die dem Sukkotfest vorausgegangen waren: Die Stimmung war fröhlich! Alle Kinder, auch die kleinen, die noch nicht das Alter der Gebote (der religiösen Pflichten, bei Buben mit 13 Jahren) erreicht hatten, wurden zur Tora aufgerufen, und, um die Freude zu vergrößern, wurden aus verschiedenen Fenstern Äpfel und Nüsse zu den Kindern bei ihrem Auszug aus der Synagoge geworfen.

Obstauswerfen zu Simchat Tora, Bild: Burgenländisches Landesmuseum

Obstauswerfen zu Simchat Tora, Bild: Burgenländisches Landesmuseum



Ich kenne den Grund für diesen Brauch, den ich danach in keiner anderen Gemeinde gesehen habe, nicht. Vielleicht fielen hier zwei Motive zusammen: das eine, dass die Symbole dieser Früchte in den Midraschim (religiöse Auslegungsschriften) mit Israel verglichen werden, und das zweite ‒ ein Gedenken an das ›Erntefest; der Beiname für das Sukkotfest. Auf jeden Fall erfreuten uns alle diese Tage sehr, sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen.

Chanukkaleuchter, Leihgabe Burgenländisches Landesmuseum

Danach kamen die kalten und verschneiten Tage des Winters und mittendrin das Chanukkafest. Mit dem Dunkelwerden wurden in allen Häusern auf den Fenstersimsen die winzigen Chanukkakerzen auf dem kleinen Leuchter entzündet, der das ganze Jahr im Kasten oder auf dem Regal darauf warte, seine Aufgabe während der acht Chanukkatage zu erfüllen. Danach setzten wir uns ‒ alle Familienangehörigen und manchmal mit eingeladenen Freunden ‒ zu Tisch zu den typischen Chanukkaspielen, in deren Mittelpunkt das Spiel mit dem Kreisel, das ›Trendel‹ (ursprünglich ›Drehdel‹) genannt wurde, stand. Manchmal zogen sich die Erwachsenen auf einen anderen Tisch zurück und spielten ein harmloses Kartenspiel; die Wette ging im Allgemeinen ‒ wie auch beim Spiel mit dem Kreisel ‒ um Nüsse! Das muss man wissen, denn in der Gemeinde Eisenstadt war das Kartenspiel das ganze Jahr hindurch ›verpönt‹ und ein schwerwiegender Bann wurde bereits in den Tagen des MaHaRaM Asch zu Beginn des 18. Jahrhunderts darauf gelegt. Er legte damals viele Verordnungen zur Verbesserung der Moral fest, wie etwa das Verbot für Frauen, Kleider in der neuen Mode des ›Kreolin‹ zu tragen. Das strengste unter allen Verboten war der Bann auf das Kartenspiel und auch in meiner Jugend achtete man im Judenviertel nicht weniger darauf als auf die Kaschrutgesetze (Gebote der rituellen Tauglichkeit, Speisegesetze). Wer aber dem Spieltrieb nachgab, fand für sich einen Ausweg und ging insgeheim mit seinen Freunden in das benachbarte Dorf Kleinhöflein, aus der Annahme heraus, dass der Bann dort nicht mehr gelte. Aber in den Verordnungen des MaHaRaM Asch war das Spiel in den Nächten des Chanukkafestes erlaubt. Man nützte diese Erlaubnis, wenn auch in sehr bescheidener Form! Weil es keinen Bann gibt, der, wenn er aufgehoben war, automatisch seine Gültigkeit wiedererlangt, sondern nur, wenn er von Neuem erklärt wird, verlängerte der Rabbiner (in Übereinstimmung mit dem Gemeindevorsteher) die Zeitdauer der Erlaubnis um einige Tage. Und ich erinnere mich, wie in den Tagen meiner Kindheit der Rabbiner oder der Vorbeter auf die Bima stieg und neben der Torarolle verkündete:

Das Spielen ist asur (verboten) ke-vime kedem (wie früher)!

Zitat Meir Ayali

Und wieder erlangte das puritanische Verbot seine Gültigkeit und der Ernst senkte sich auf die Judengasse bis zum Purimfest im Monat Adar (März/April). An diesem Fest feierten wir die Niederlage des Haman, dem Urvater aller Antisemiten auf der Welt, und niemand konnte damals ahnen, welcher diabolische, um vieles gefährlichere Haman schon darauf wartete, das jüdische Volk zu vernichten und es von der Wurzel her auszurotten; und die Vernichtungswelle sollte ausgerechnet von hier, den ›Siebengemeinden‹ im Burgenland, ihren Anfang nehmen. Fröhlich und freudig drängten wir uns am Purimfest mit den Masken auf unserem Gesicht und wir halfen auch unseren Eltern beim Verteilen der ›Purimgeschenke‹; dieser Brauch sollte die Freundschaft unter den Nachbarn vermehren, wie es uns im Buch Ester befohlen wurde. Mutter legte auf den Teller ein paar Früchte und ein paar Süßigkeiten, herrliche ›Linzerkipferl‹, gab alles in eine farbige Hülle und sagte:

Jetzt gehst du zu Berger. Sagst ›Küss die Hand und guten Purim. Mama schickt Schlachmones‹ und genauso in andere Häuser, die selbstverständlich dieses wichtige Gebot ebenfalls einhielten.

Zitat Meir Ayali

Koscher-Stempel für Pesach

Der Winter zog vorbei, der Schnee verschwand und das Frühlingsfest kam: es ist das Pesachfest, das Fest des Auszugs aus Ägypten, von der Sklaverei in die Freiheit, durchdrungen von Sehnsucht nach baldiger Erlösung und dem Glauben an das Kommen des Propheten Elias, dem Verkünder des Messias, bald in unseren Tagen. Jetzt kam auch die Zeit der großen Reinigung. Es genügte nicht das wöchentliche Scheuern des Fußbodens, das Reinigen und das gewöhnliche Waschen. Jetzt drehte man das ganze Haus um, reinigte, wusch und scheuerte bis auf die Grundfeste und die Hauptsache war, dass sich zum Pesachfest auch nicht ein Körnchen von Gesäuertem im Hause finde! Manchmal bekam man auch ein neues Gewand anlässlich des Festes. Aus der ganzen Gasse stieg der Lärm des Waschens und Scheuerns auf und der Geruch der Sauberkeit breitete sich in allen Häusern aus. Es kam die Sedernacht: nach dem Gebet in der Synagoge setzten sich die Familien zusammen, um das Fest mit dem Lesen der ›Haggada der Pesachnacht‹, der Geschichte des Auszugs aus Ägypten, zu feiern, wie es Brauch unserer Väter durch viele Jahrhunderte hindurch war. Alle Familienangehörigen sangen bis in die späten Nachtstunden die Lieder des Pesachfestes, des Festes unserer Freiheit; eines der Kinder öffnete die Tür weit als Zeichen des Gefühls der Freiheit und in Erwartung auf die Erscheinung des Propheten Elias, dessen Kommen sich verzögerte. Das Trinken der vier Becher in dieser Nacht, die die vier Ausdrücke der Erlösung symbolisierten, die beim Auszug aus Ägypten gesprochen wurden:

ich führte euch (hinaus aus Ägypten)« … »ich rettete euch« … »ich erlöste euch« … »ich nahm euch

2. Buch Mose 6,6-7

Und sogar das Trinken kleiner Mengen hatte seine Wirkung auf unsere Köpfe, die wir um Mitternacht bei einem kurzen Spaziergang bis zum Schlossplatz milderten. Aber obwohl wir im Zentrum der österreichischen Weinkultur wohnten, sah ich niemals einen Betrunkenen durch die Judengasse gehen, nicht einmal beim Purimfest.

So wurden in der Judengasse und in den Familien die übrigen Feste gefeiert, die in unseren jungen Herzen viele tiefe Erlebnisse auslösten. Natürlich herrscht in diesen Schilderungen eine übertriebene Idealisierung, die von Erinnerungen einer fernen Kindheit herrührt. Aber auch damals blieben vor uns die Gefahren nicht verborgen, die manchmal über den Köpfen unserer Eltern schwebten. Zur Zeit meiner Kindheit lebten unter uns noch alte Leute, die sich an die Blutbeschuldigung von ›Tisza Eszlar‹ erinnerten und in den Schaukästen der Nazis, die allenthalben aufzutauchen begannen, wurden giftige Andeutungen ‒ genommen aus dem ›Stürmer‹ ‒ gemacht. Da wir Kinder eine moralisch-puritanische Erziehung genossen hatten und es gemäß den strengen religiösen Gesetzen bezüglich der Kaschrut verboten war, Fleisch zu essen, bevor das Blut durch Einsalzen entfernt worden war, konnten wir nicht glauben, dass jemand von unseren Nachbarn, vor denen wir nichts zu verbergen hatten und mit denen wir in Partnerschaft und Frieden lebten und für die Entwicklung der Stadt arbeiteten, imstande war, diesen ›Unsinn‹ zu glauben.

Nicht in allen Bereichen der Religion ging das Leben in der Gemeinde in den Tagen meiner Jugend so vor sich wie in früheren Jahren. In der Judengasse, die am Schabbat an ihren beiden Ausgängen für den Fahrzeugverkehr abgesperrt wurde ‒ mit einer Eisenkette auf der einen, mit einem Gittertor auf der anderen Seite ‒ waren die Geschäfte selbstverständlich geschlossen. Aber im Zentrum der Stadt, in der ›Hauptgasse‹, waren schon einige Geschäfte von Juden am Schabbat geöffnet, aus der Befürchtung heraus, dass ihr Einkommen zu arg beeinträchtigt werde. Auch in ihren religiösen Einrichtungen war die Gemeinde Eisenstadt schon nicht mehr das, was sie in früheren Jahrhunderten war, als das Licht ihrer Lehre weithin erstrahlte. Die Sorge des gottseligen Vaters darüber war an seinen Seufzern ersichtlich, die manchmal aus seinem Mund schlüpften.

Aber die allgemeine Atmosphäre in der Gasse wurde in meiner Kindheit noch bewahrt. So funktionierten die Einrichtungen der Wohltätigkeit, der Unterstützung und der gegenseitigen Hilfe perfekt. In der Gasse gab es schon nicht mehr viele Reiche, außer der Familie Wolf, die hohe Abgaben an die Gemeindekasse und die Einrichtungen der Gemeinde leistete; doch auch an ihr war die Wirtschaftskrise erkennbar. Aber alle Gemeindemitglieder trugen das Joch dieser Einrichtungen und beteiligten sich überall, wo es nötig war, persönlich an der Hilfeleistung. Die ›Chevra kadischa‹ (›Heiliger Wohltätigkeitsverein‹), die offensichtlich dazu gegründet wurde, sich um die Toten und deren Begräbnis zu kümmern, ließ auch den Lebenden durch Beistand in der Stunde einer Krankheit oder einer anderen Bedrängnis Hilfe angedeihen.

In den Tagen meiner Kindheit gab es noch für alle Fälle (leere) Krankenzimmer in der ›Oberen Gasse‹. Aber es wurde mir erzählt, dass viele Jahre, bevor ich geboren wurde, die Cholera in Eisenstadt wütete und viele Kranke in diese Krankenzimmer gebracht wurden. Ich weiß nicht, wie weit die Geschichte authentisch war, die man im Zusammenhang damit über Herrn Adolf Gabriel, den Vorsteher der ›Chevra kadischa‹, erzählte. Ich kannte ihn in meiner Jugend, wie er wegen seiner schrecklichen Kurzsichtigkeit durch die Gasse taumelte. Auch als Greis noch war er ‒ natürlich ehrenamtlich ‒ seinen Aufgaben in der ›Chevra kadischa‹ treu ergeben. Über ihn erzählte man, dass er in den Tagen der Cholera nicht von den Betten der Kranken in dem kleinen ›Spital‹ wich, sie pflegte, ihnen zu essen gab und sich selbst darum kümmerte, dass jene, die verstarben, begraben wurden. Es war schwer zu glauben, welch körperliche, seelische und moralische Kräfte in diesem kleinen, mageren und bescheidenen Mann ruhten. Manchmal lachten wir über seine Kalkulation, als wir in sein Geschäft kamen, das fast leer war von Waren und Kunden, und ihn in der ›Neuen Freien Presse‹ lesen sahen, die wegen seiner Kurzsichtigkeit wirklich auf seinen Brillen lag, und die Zigarette in seinem Mund ein Loch in die Zeitung brannte. Über die Einrichtungen der Wohltätigkeit und der gegenseitigen Hilfe, so wie sie noch in den Tagen meiner Jugend aufrecht waren, wäre es wünschenswert, mehr Einzelheiten zu erzählen, die Zeugnis ablegen über ihren besonderen Charakter und über den Grundsatz der ›Mitzwa‹ (religiöse Pflicht; Gebot; gute Tat; Anmerkung des Übersetzers), auf den hin wir erzogen wurden. Das entscheidende Element der Wohltätigkeit war, dass sie in einer Form ausgeübt wird, die den Bedürftigen nicht beschämt. Es scheint mir, dass noch über der Wohltätigkeitskasse beim Eingang in die Synagoge von Rabbi Samson Wertheimer die Anfangsbuchstaben Mem, Bet, Jod, Alef eingraviert sind, (ein hebräisches Akrostychon; Anmerkung des Übersetzers) von Sprichwörter, Kapitel 21, Vers 14:

Ein Geschenk im Geheimen verdrängt den Zorn Gottes

Typisch dafür war die Wohltätigkeitskasse, die die Leute der ›Chevra kadischa‹ auf den Tisch im Haus von Trauernden stellten. Viele Münzen lagen schon darin, wenn sie unverschlossen zu den Trauernden gebracht wurde. Und selbstverständlich warf jeder, der kam, um sie in den sieben Tagen der Trauer zu trösten, ‒ durch einen Schlitz an der Oberseite ‒ heimlich etwas von seinem Geld in die Kasse ein; jeder so, wie er dazu imstande war. Die Absicht war, dass die Familie der Trauernden, die in den sieben Tagen ihrer Trauer verhindert war, ihrer Arbeit nachzugehen, am Abend ohne jede Überprüfung die ganze Summe, die für ihre Lebenshaltung notwendig war, aus der Kasse entnehmen konnte. Niemals überprüften die Vorsteher der ›Chevra kadischa‹ den Inhalt der Kasse und ich hätte mich nicht gewundert, wenn man in den Zwanziger Jahren am Boden der Kasse Münzen aus den Tagen des habsburgischen Kaiserreiches gefunden hätte.

Judengasse Eisenstadt, ca. 1920 (obere Gasse, heute Wertheimergasse)

Judengasse Eisenstadt, ca. 1920 (obere Gasse, heute Wertheimergasse)



Ein Ereignis, dessen Sinn mir erst viele Jahre danach bekannt wurde, grub sich besonders in meinem Gedächtnis ein. An einem Abend besuchte uns Herr N., ein wohlhabender alter Mann, der ehrenvoll von seinen Ersparnissen lebte. Nie gehörte er zu dem engeren Freundeskreis meines Vaters und nie hatte er unser Haus besucht. Er bat, mit Vater ›unter vier Augen zu sprechen‹. Viele Jahre kannten wir nicht die Bedeutung dieser Geheimnistuerei. Erst Jahre, nachdem Herr N. kinderlos gestorben war, deckte mir Vater sein Geheimnis auf: als die Bank, auf der seine Ersparnisse lagen, Konkurs machte, blieb Herr N. in großer Armut zurück. Er wusste nicht, wovon er im kommenden Monat leben sollte und er war aus Schamgefühl nicht dazu imstande, sich an die Wohltätigkeitskasse zu wenden. Mit Hilfe eines geheimen Wohltätigkeitsfonds der Familie Wolf, für den Vater verantwortlich zeichnete, erreichte Vater eine festgesetzte monatliche Rente für Herrn N. bis zu seinem Lebensende, ohne dass jemand in der Gemeinde eine Veränderung in seiner sozialen Stellung wahrnehmen konnte.

Die Teilnahme an den Wohltätigkeitsfonds befreite niemanden vom persönlichen Handeln. Die Vorsteher der ›Chevra kadischa‹ und andere erfüllten selbstverständlich freiwillig ihre Aufgaben, die manchmal mit großer Mühe und erheblichem Zeitaufwand verbunden waren. Das Verrichten einer Mitzwe war mehr Verdienst als eine ernste Pflicht. Als ich ungefähr 15 Jahre alt war, trug mich mein gottseliger Vater als Neuling in der ›Chevra kadischa‹ ein. Er war verpflichtet, einige hundert Schilling Einschreibgebühr zu zahlen, und nachdem die Vorsteher der Chevra meine Aufnahme bestätigt hatten, wurde ich am Schabbat zur Tora und zum Lesen der Haftara (Text aus den Prophetenbüchern; Anmerkung des Übersetzers) aufgerufen. Was waren meine Rechte und Pflichten von nun an? Es waren nicht viele Wochen vergangen, als ich eine Nachricht empfing: der greise Herr Moritz Machlup ist sehr krank und da auch seine Tochter alt ist, kann sie ihn nicht pflegen. Ich musste die ganze kommende Nacht zur Unterstützung neben seinem Bett sitzen und ihm in allem helfen, wo er bedürftig war. Herr Machlup war früher ein Antiquitätenhändler, aber die Jahre der Wirtschaftskrise ließen auch ihn verarmen. Es lag in der Möglichkeit der ›Chevra kadischa‹, eine Frau anzustellen, die ihn pflegen würde, aber wo ist hier die persönliche Erfüllung der Mitzwa (›der guten Tat‹)? Nichts halfen die Proteste der gottseligen Mutter, dass man dem ›Kind‹ eine schwere Aufgabe wie diese auferlegte; ‒ meiner Reife und der Verantwortung, die mir auferlegt wurde, bewusst, ging ich zur armen Wohnung des Alten und pflegte ihn ein oder zwei Nächte.

Eines Morgens, als wir das Schlagen des Holzhammers auf das Tor des Hauses hörten, das zum Morgengebet rief, wurden wir darauf aufmerksam, dass anstelle von drei Schlägen ‒ ta, ta, ta ‒ nur zwei gegeben wurden.

Wie es scheint, ist Herr Machlup diese Nacht gestorben

Zitat Meir Ayali

sagte Vater, denn dies war das Zeichen, dass ein Beter von nun an in der Synagoge fehlen wird.

Noch ein Bild aus den Tagen meiner frühen Kindheit steigt in meinem Gedächtnis auf. Ich war noch keine sechs Jahre, als ich wegen der Krankheit meiner Mutter den ganzen Winter bei Großvater und Großmutter in Lackenbach verbrachte. Sie hatten ein Lebensmittelgeschäft nahe der Wohnung, aber Großvater war sehr beschäftigt mit den Sorgen der Gemeinde, in der er viele Jahre als Oberhaupt diente. Es schneite stark und ich kniete im gemütlichen Zimmer auf der zum Fenster gelehnten Couch und blickte auf die weiß bedeckte Straße und auf die in ihre Mäntel eingehüllten Gestalten, die auf der Gasse vorübergingen. Da zog ein mit Holz beladener Wagen vorüber und neben dem Kutscher saß Großvater; eine Wollhaube bedeckte seinen Kopf und sein Gesicht. Sooft der Wagen stehen blieb, lud Großvater zusammen mit dem Kutscher neben verschiedenen Häusern gehackte Holzstücke vom Wagen. Großvater übergab die Leitung des Geschäfts für einige Stunden der Großmutter und selbst teilte er Holz an Familien aus, die sich ohne diese Hilfe in dem strengen Winter kein gewärmtes Zimmer hätten leisten können.

Judengasse Eisenstadt, Obere Gasse, heute Wertheimergasse

Judengasse Eisenstadt, Obere Gasse, heute Wertheimergasse



Hätte ich über alle Bräuche in der Judengasse und über die verschiedenen Charaktere in der Gemeinde erzählt ‒ Menschen, die durch ihre Taten hervorragten und einfache Leute, die keine große Rolle spielten ‒ hätte ich noch viele Blätter Papier füllen müssen. Sie alle verschwanden plötzlich und wurden durch eine verbrecherische Hand ausgerottet. Ich könnte mich trösten, wüsste ich, dass alle jene sich hätten aufmachen und ihr persönliches Hab und Gut, ihre Bücher und ihre Bräuche mit sich nehmen können und erhobenen Hauptes Zuflucht gefunden hätten. Aber so war nicht das Los der meisten von ihnen. Vor den Augen ihrer Nachbarn, mit denen sie und ihre Väter durch hunderte von Jahren Straße an Straße gewohnt hatten, wurden sie misshandelt, gedemütigt und vertrieben. Die meisten von ihnen wurden am Weg und in den Vernichtungslagern getötet; es gab auch solche, die Selbstmord begingen. Mit schmerzendem Herzen erinnere ich mich an den verdienstvollen Arzt Dr. Pap, der mit dem Titel ›Medizinalrat‹ und danach mit dem Titel ›Sanitätsrat‹ wegen seiner großen Verdienste für das Gesundheitswesen der Stadt ausgezeichnet wurde. Wer kannte nicht die magere Gestalt mit dem asketischen Gesicht und der glänzenden Glatze, die von Haus zu Haus lief, um Heilung zu bringen ‒ auch ohne jegliche Bezahlung. Niemand erhob sich, um zu protestieren, als er geschlagen und gezwungen wurde, eine mit Steinen voll beladene Schubkarre ohne jedes Ziel durch die Gassen der Stadt zu führen und er an jeder Ecke gedemütigt wurde. Mit Schwierigkeit entkam er nach Italien, wo er Selbstmord beging. Und wer von uns erinnert sich nicht an Sándor Wolf: bis heute existiert niemand, der Eisenstadt mehr liebte als er, der mit seinem Geld und seinen Händen seine Vorgeschichte erforschte und seine Vergangenheit von den Tagen der Römer an aufdeckte und der das berühmte Museum errichtete. Wie viele Demütigungen musste er ertragen, bis es ihm gelang, in völliger Armut zu entkommen und das Land Israel zu erreichen!

Mir blieben alle diese Leiden erspart, denn ich verließ am Beginn der Dreißiger Jahre, als ich fast noch ein Bub war, Eisenstadt und Österreich, wo meine Ahnen und Urahnen durch hunderte von Jahren lebten, und schloss mich der Gruppe der Pioniere in ›Eretz Israel‹ (›Land Israel‹) an.

Mit großer Liebe trage ich in mir das Gedenken an diese Gemeinde, an ihre Größe und an ihre Kleinlichkeiten. Aber die finsteren historischen Ereignisse führten dazu, dass ich Eisenstadt in meinem Gedächtnis von der geographischen Realität getrennt habe und es irgendwo in fernen Sphären schwebt. Erst Kurt und Ursula Schubert halfen mir zurückzukehren und es manchmal als etwas zu fühlen, was wirklich war.

3 Kommentare zu Meine Kindheit in der Judengasse in Eisenstadt

Inschriften in der ehemaligen Synagoge Kobersdorf

Im Gebäude der ehemaligen Synagoge Kobersdorf, die 2019 vom Land Burgenland gekauft wurde, befinden sich (unter anderem natürlich) auch folgende zwei Inschriften: Inschrift über der Nische für das Handwaschbecken im…

Im Gebäude der ehemaligen Synagoge Kobersdorf, die 2019 vom Land Burgenland gekauft wurde, befinden sich (unter anderem natürlich) auch folgende zwei Inschriften:

Inschrift über der Nische für das Handwaschbecken im Vorraum


Ehemalige Synagoge Kobersdorf, Inschrift über dem Handwaschbecken im Vorraum. Foto: Erwin Hausensteiner

Ehemalige Synagoge Kobersdorf, Inschrift über dem Handwaschbecken im Vorraum. Foto: Erwin Hausensteiner


Die Inschrift

Inschrift Handwaschbecken Synagoge Kobersdorf: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] Ich wasche meine Hände in Unschuld und umschreite deinen Altar, Herr. ארחץ בנקיון כפי ואסבבה את מזבחך יהוה


Anmerkung

Es handelt sich bei der Inschrift um ein wörtliches Zitat von Psalm 26,6.


Inschrift über der Spendenbüchse im Vorraum


Ehemalige Synagoge Kobersdorf, Inschrift über den beiden Spendenboxen im Vorraum. Foto: Erwin Hausensteiner

Ehemalige Synagoge Kobersdorf, Inschrift über der Spendenbüchse im Vorraum. Foto: Erwin Hausensteiner


Die Inschrift

Inschrift Spendenboxen Synagoge Kobersdorf: Zeilengerechte Transkription und Übersetzung
[1] […im] Land Israel […] […ב]ארץ ישראל […]


Anmerkung

Da „im Land Israel“ oder besser, schlicht „in Israel“ wenig Sinn macht, außerdem es nach „Israel“ so aussieht, als würde dort noch ein Buchstabe geschrieben gewesen sein, müsste sowohl vorne als auch hinten noch Text fehlen. Da ich nur die Fotos besitze, kann ich nicht beurteilen, ob die fehlenden Buchstaben bzw. Wörter eventuell freigelegt werden können.


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3 Kommentare zu Inschriften in der ehemaligen Synagoge Kobersdorf

Hilfe! Ich kann nicht Hebräisch, …

…aber ich brauche hebräische Quellen für meine genealogischen Forschungen. English version Einleitung Symbole Einleitungsformel Name, Segenswünsche, Akrostychon Eulogie Sterbedatum Schlusseulogie Downloads Der Artikel ist die deutschsprachige Version meines bei der…

…aber ich brauche hebräische Quellen für meine genealogischen Forschungen.

English version


Der Artikel ist die deutschsprachige Version meines bei der 39. Internationalen Konferenz zur Jüdischen Geneaolgie in Cleveland, Ohio, am 02. August 2019 in Englisch gehaltenen Vortrages. Er wird bis auf die einleitende Vorstellung meiner Person hier ungekürzt wiedergegeben.

Lesen Sie auch meinen ersten Vortrag vom 31. Juli 2019 „Was wir lernen sollten…„.

Auch ohne (gründliche) Hebräischkenntnisse ist es meist möglich, die wichtigsten biografischen Informationen aus hebräischen Quellen herauszulesen.

Ich danke sehr herzlich für die Einladung und dass ich die Gelegenheit habe, hier zu sprechen.

Vorweg: Sie müssen nicht mitschreiben oder die Sorge haben, etwas zu überhören. Sie bekommen am Schluss der Präsentation einen Link, wo Sie die gesamte Präsentation inklusive aller Beispiele sowie alle Tools downloaden können!

Eisenstadt war das Zentrum der sogenannten „Sieben-Gemeinden“, hebr. „Scheva Kehillot“, also sieben heiliger jüdischer Gemeinden auf ehemals westungarischem, heute burgenländischem Gebiet. Das Burgenland ist seit 1921 das östlichste Bundesland Österreichs, an der Grenze zu Ungarn. Die Gemeinden wurden Ende des 17. Jahrhunderts besiedelt, 1938 bedeutete das endgültige Aus jeder jüdischen Ansiedlung, im Burgenland gibt es heute keine jüdischen Gemeinden mehr, nur mehr ein Dutzend Juden. Auf den 14 jüdischen Friedhöfen des Burgenlandes befinden sich etwa 8.000 Grabsteine mit fast ausschließlich hebräischen Grabinschriften. Es existieren im Burgenland keine Lagepläne von Friedhöfen. Es ist notwendig, jeden einzelnen Grabstein vor Ort zu besuchen.

Eisenstadt ist in der Region der einzige Ort, in dem wir heute zwei große jüdische Friedhöfe finden. Der mit Abstand bedeutendste jüdische Friedhof in den ehemaligen „Sieben-Gemeinden“ ist der ältere jüdische Friedhof in Eisenstadt. Der älteste Grabstein ist aus dem Jahr 1679 und der Friedhof wurde bis Sommer 1875 belegt. Der im Herbst 1875 angelegte jüngere jüdische Friedhof war der „Nachfolge-Friedhof“ des älteren und wurde bis 1938 belegt, in wenigen Einzelfällen kam es auch noch zu Begräbnissen nach 1945.

Der ältere jüdische Friedhof von Eisenstadt, der zweifelsohne zu den weltweit bedeutendsten jüdischen Friedhöfen gehört (gemessen am Alter, an der Anzahl der Grabsteine und an den vielen großen jüdischen Gelehrten, die da begraben sind), hat 1085 Grabsteine mit ausschließlich hebräischen Inschriften! Wir finden keinen einzigen nicht-hebräischen Buchstaben auf dem Friedhof.

Der jüngere jüdische Friedhof hat knapp 300 Grabsteine und wir finden außer auf einigen wenigen nach 1945 aufgestellten Grabsteinen ebenfalls ausschließlich hebräische Grabinschriften, allerdings gelegentlich bereits auch mit deutschen oder ungarischen Zusätzen mit Name und Sterbedatum.

Beide jüdischen Friedhöfe habe ich vollständig dokumentiert, digitalisiert und im Blog des Österreichischen Jüdischen Museums online gestellt. Abgerufen werden können: Das Foto jedes Grabsteins, der Lageplan, die Grabinschrift zeilengerecht transkribiert, die Übersetzung, Kommentare zur hebräischen Inschrift, genealogische Daten und Links zu den ebenfalls auf den beiden Friedhöfen begrabenen Verwandten. Für Menschen, besonders Nachkommen, die ihre Verwandten und Vorfahren suchen, gibt es auf jedem Grab auf beiden Friedhöfen einen QR-Code, der zur URL des Grabsteins mit Foto, Inschrift, Links zu den Verwandten sowie Lageplan führt. Ich darf sagen ‒ ein Service, das weltweit einzigartig ist.

Die meisten Beispiele heute kommen auch von einem der beiden jüdischen Friedhöfe in Eisenstadt. Daher auch die etwas ausführlichere Einleitung.

Der Titel meiner Präsentation ist:

Hilfe! Ich kann nicht Hebräisch, aber ich brauche hebräische Quellen für meine genealogischen Forschungen.

Für Genealogen ist grundsätzlich der Grabstein eine essentielle und primäre Forschungsquelle. Selbstverständlich auch der jüdische Grabstein. Umso mehr gilt das für den jüdischen Grabstein mit hebräischer Inschrift! Auch in meiner heutigen Präsentation liegt der Schwerpunkt auf hebräischen Grabinschriften.

In den genealogischen Portalen, allen voran dem Jewish Genealogy Portal auf Facebook, gehört zu den häufigst gestellten Fragen, was in einer hebräischen Grabinschrift steht. Allem voran gilt das Interesse fast ausschließlich immer dem Namen und dem Sterbedatum, eventuell noch, ob der Vater oder die Mutter des Verstorbenen angegeben sind.

In meiner ersten Präsentation am Mittwoch ging es mir darum aufzuzeigen, dass wir in hebräischen Grabinschriften aber viel mehr biografische Informationen finden als nur Name und Sterbedatum, Informationen, die wir in anderen Quellen oft nicht finden. Heute geht es uns aber darum, die allerwichtigsten Daten in hebräischen Inschriften zu erkennen und lesen zu können, selbst wenn wir nicht Hebräisch können.

Aber warum ist das überhaupt notwendig?, werden Sie vielleicht einwenden. Sie können den Grabstein bzw. die Inschrift fotografieren und bekommen in den genealogischen Portalen meist sehr schnell eine Antwort… Und ich behaupte: vielleicht ja, aber wenn 10 Antworten gegeben werden, die sich unterscheiden (was bekanntlich oft vorkommt), wie wissen Sie welche Antwort richtig ist?

Viel wichtiger aber noch scheint mit der in der Praxis oft vorkommende Fall zu sein, dass Sie den bürgerlichen Namen kennen und auf einem jüdischen Friedhof mit hebräischen Grabinschriften praktisch keine Chance haben, das „richtige“ Grab zu finden, wenn Sie nicht imstande sind, zumindest das Sterbedatum korrekt zu lesen, das in hebräischen Inschriften immer mit hebräischen Buchstaben angegeben wird!

Außerdem führt die Lösung bei der genealogischen Forschung sehr oft über den hebräischen Namen, der zwar manchmal auch in den Geburtsmatriken vermerkt ist, immer aber in der hebräischen Grabinschrift.

Wenn wir über die Grabsteine und hebräischen Inschriften der beiden jüdischen Friedhöfe von Eisenstadt sprechen, sprechen wir über Grabsteine, deren hebräische Inschriften oft 40 Zeilen (!) und mehr umfassen:

Ich zeige Ihnen diese beiden Inschriften, um Ihnen Mut zu machen. Denn in einer halben Stunde sind Sie imstande, selbst in so langen und komplizierten hebräischen Grabinschriften einige der allerwichtigsten biografischen Daten zu finden und zu lesen! Ich habe absichtlich zwei Beispiele von Inschriften für jüdische Frauen ausgewählt, Resl Theben, gestorben 21. April 1755 und Malka Austerlitz, gestorben 04. April 1743! Auf die Inschrift von Resl Theben kommen wir heute später noch mehrmals zurück.

Die hebräische Grabinschrift folgt einem Formular! Sie hat in etwa 95% aller Fälle die gleiche oder eine sehr ähnliche Struktur, ganz egal, ob die Inschrift 5 Zeilen oder 50 Zeilen lang ist!

Mit anderen Worten: Sehen wir uns hebräische Inschriften von oben nach unten an, stellen wir fest, dass sie in den überwiegenden Fällen immer gleich aufgebaut sind.

Symbole

Bevor die eigentliche hebräische Inschrift beginnt, finden wir häufig ein Symbol, das aber in sehr vielen Fällen bereits eine erste wichtige genealogische Information sein kann.

Zunächst gibt es allen bekannte Berufssymbole wie ein Musikinstrument für einen Musiker, Kantor, Sänger, das Beschneidungsmesser für den Mohel usw. oder die eher allgemeinen Symbole für Sterben, Trauer und Tod wie etwa die biblische Träneneiche, den abgeknickten Baum für den frühen Tod, den Stern, der Hoffnung und Zuversicht symbolisiert, die Hauszeichen in größeren Städten für die vornehmeren Familien, Namenssymbole wie der Löwe, der Bär, das Lamm usw. oder letztlich auch die häufig zu findende Menora, den siebenarmigen Leuchter oder den Magen David, den Davidsstern. Auch wenn viele dieser Symbole genealogische Relevanz haben, lassen wir diese heute außen vor, weil sie großteils selbsterklärend sind, und widmen uns nur den genuin jüdischen Symbolen, also jenen 3 Symbolen, die tief in der jüdischen und rabbinischen Tradition verwurzelt sind:

Der Krug, oft auch Krug und Becken, ist ein Abstammungssymbol und das Symbol für Leviten und findet sich vor allem auf Grabsteinen, ganz selten nur, wie etwa in der Judengasse von Frankfurt am Main in Deutschland oder bei uns in Eisenstadt auch auf jüdischen Häusern. Angezeigt wird mit diesem Symbol, dass der Begrabene aus einer Levitenfamilie stammt. Häufig ist der Name oder der Namenszusatz dann auch לוי \ הלויLevi“ oder „Ha-Levi“ („der Levite“) oder סג“ל „SEGA’L“, was eine hebräische Abkürzung ist und „sgan levija“ „Vertreter der Leviten“ bedeutet.

In unserem Beispiel: Wilhelm (Wolf ben Salman ha-Levi) Austerlitz, gestoben 1868 und Moritz Austerlitz, gestorben 1900, beide begraben am älteren jüdischen Friedhof von Eisenstadt.

Ebenfalls ein Abstammungssymbol sind die segnenden Hände mit der charakteristischen Fingerhaltung: Daumen und Zeigefinger berühren sich, Ring- und kleiner Finger sind abgespreizt.

Das Symbol findet sich bei Angehörigen des Priestergeschlechts (Beispiel: Samuel Cohen, gestorben 1791) oft mit dem Namen oder Beinamen כהן Kohen, Kohn oder Ka’tz. כ“ץ „Ka’tz“ ist eine Abkürzung für „Kohen Zedek“ „gerechter Priester“ wie bei Rabbiner Karl Klein (gestorben 1930), hebräisch: Chaim Akiba Ka’tz, Zeile 6.

Der Vollständigkeit halber sei noch das dritte genuin jüdische Symbol genannt, das kein Abstammungssymbol ist und auch keine genealogische Relevanz hat: die Krone (Hindel Spitzer, gestorben 07. Juli 1864):

Grabstein / gravestone Hindel Spitzer, 07/07/1864

Grabstein / gravestone Hindel Spitzer, 07/07/1864, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Obwohl immer wieder behauptet wird, dass das Symbol der Krone wirtschaftliche Besserstellung anzeigt, ist das schlichtweg falsch. Denn in Pirke Avot, in den „Sprüchen der Väter“ lesen wir:

Drei Kronen gibt es: Die Krone der Tora, die Krone der Priesterwürde und die Krone des Königtums; die Krone des guten Namens aber übertrifft sie alle.

Das Symbol der Krone ist in den meisten Fällen das Symbol für den „guten Namen“, den „guten Ruf“ der oder des Verstorbenen! Meist finden wir in der Inschrift noch: נפטר בשם טוב „Sie / er starb mit gutem Ruf“. Mit wirtschaftlicher Besserstellung hat die Krone jedenfalls nichts zu tun.

Und dass ich nicht vergesse: Hebräisch lesen wir von rechts nach links und es gibt als Buchstaben nur Konsonanten, keine Vokale!

Einleitungsformel

Sehr weit oben in der Inschrift, meist nach dem Symbol (wenn eines vorhanden ist), findet sich die sogenannte Einleitungsformel, die fast immer aus 2 Buchstaben mit Abkürzungsstrichen zwischen den beiden Buchstaben besteht: פ“נ P“N „po nitman“ und bei Frauen „po nitmenet“, oder פ“ט P“T „po tamun“ und bei Frauen „po tmuna“, „hier ist begraben“, „hier ist geborgen“. Nur sehr selten finden wir diese Einleitungsformel ausgeschrieben! Grundsätzlich gibt es keinen Unterschied in der Bedeutung zwischen P“N“ und P“T, aber am älteren jüdischen Friedhof von Eisenstadt habe ich 2015 eine Entdeckung gemacht, die ich von anderen jüdischen Friedhöfen, zumindest in dieser Klarheit, noch nicht kannte: dass P“N fast ausschließlich für Männer, P“T für Frauen verwendet wurde. Es müsste aussagekräftige Statistiken zum Thema geben, damit bereits die Einleitungsformel eindeutige genealogische Relevanz bekommen könnte, also dass wir, zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit, gleich wissen, ob hier eine Frau oder ein Mann begraben ist.

Am berühmtesten Grab des älteren jüdischen Friedhofes in Eisenstadt, am Grab des ersten Rabbiners der Gemeinde, Meir Eisenstadt, gestorben 1744, finden wir die Einleitungsformel zum Beispiel ausgeschrieben פה נטמן „po nitman“, „Hier ist begraben“:

Grabstein / gravestone R. Meir Eisenstadt, 07/06/1744

Grabstein / gravestone R. Meir Eisenstadt, 07/06/1744, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Auf tausenden Grabsteinen im italienischen Raum finden wir eine etwas andere Einleitungsformel, auch eine Abkürzung mit zwei Buchstaben, aber פ“ש P“SCH, oder ausgeschrieben: פה שוכב „po schochev“, „Hier ruht“:

Und damit kommen wir zum sicher wichtigsten Element der hebräischen Grabinschrift:

Der Name

Grundsätzlich: In hebräischen Grabinschriften ist immer und ausschließlich der hebräische Name (oder Synagogalname) angegeben, und zwar sowohl von Frauen als auch von Männern. Es wird nie der bürgerliche Name angegeben. In jüngeren Inschriften finden wir den bürgerlichen Namen gelegentlich als Zusatz in deutscher oder ungarischer Sprache, aber eben nie in der hebräischen Inschrift (Beispiele: Antonia (Taube) Hirsch, 04. Oktober 1936, jüdischer Friedhof Mattersburg, und Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05. Juni 1914, jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt):

Wir finden also in der hebräischen Inschrift nie „Charlotte“, sondern etwa „Schwarzl“, nie „Antonia“, sondern etwa „Taube“ und nie „Armin“, sondern z.B. „Mordechai Zvi“.

Der Name eines Mannes setzt sich praktisch immer zusammen aus seinem Vornamen und dem Namen seines Vaters, z.B. דוד בן\בר יעקב „David ben/bar Jakob“, David, der Sohn von Jakob (siehe David Stroh, gestorben 11. März 1905, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt):

Grabstein / gravestone David Stroh, 11/03/1905

Grabstein / gravestone David Stroh, 11/03/1905, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Der Name einer Frau setzt sich zusammen aus ihrem Vornamen und dem Namen ihres Vaters, bei verheirateten Frauen wird in der Neuzeit ergänzt oder ersetzt durch den Namen des Ehemanns, z.B. רבקה בת משה אשת שמואל „Rivka bat Mosche, eschet Schmu’el, Rebekka, Tochter des Mose, Ehefrau des Samuel“, oder eben auch, wie im Bildbeispiel אלמנת כה’ נתן הירש „almanat Natan Hirsch“, Witwe des Natan Hirsch (Zeile 4):

Grabstein / gravestone Antonia (Taube) Hirsch, 04/10/1936

Grabstein / gravestone Antonia (Taube) Hirsch, 04/10/1936, jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Mattersburg



Der Name „Taube“ ist natürlich nicht biblisch. Da Frauen nicht so wie die Männer in der Synagoge aufgerufen wurden (bei Frauen sprechen wir daher nur von hebräischem, nicht aber vom synagogalen Namen!), musste eine Frau auch keinen religiösen Namen haben. Selbstverständlich finden wir aber auch bei Frauen biblische Namen, vor allem die der vier Erzmütter Sara, Rivka (Rebekka), Rachel und Lea.

Die hebräischen Wörter, die wir dazu benötigen, sind einfach: בן „ben“ für Sohn und בת „bat“ für Tochter. אשת „eschet“ heißt „Ehefrau von“ und אלמנת „almanat“ heißt „Witwe von“. Also „Rebekka, Tochter des Mose“, heißt Hebräisch: רבקה בת משה „Rivka bat Mose“ und „Sara, die Ehefrau von Abraham“ heißt auf Hebräisch: שרה אשת אברהם „Sara eschet Avraham“ und „Kressel, die Witwe von Mose“ heißt קרעסל אלמנת משה „Kressel almanat Mose“.

Grabinschrift Katharina (Kressel) Breuer, gestorben 25. Oktober 1897: קרעסל אלמנת … משה אל“ ברייער … בת … מרדכי שלעזינגער „Kressel, almanat … Mose Eli(jahu) Breuer …, bat … Mordechai Schlesinger“, „Kressel, Witwe des Mose Elias Breuer, Tochter des Mordechai Schlesinger“.

In der Inschrift von Charlotte Spitzer lesen wir: שווארצל … אשת … ליב שפיטצער הלוי „Schwarzl, eschet Löb Spitzer ha-Levi“, „Schwarzl, Ehefrau des Löb Spitzer Halevi“. Wir sehen also am Namenszusatz, dass er dem Levitenstamm angehört! Und auch „Schwarzl“, der hebräische Name von Frau Spitzer, ist natürlich nicht biblisch.

Der Grabstein von Charlotte Spitzer ist aber auch deshalb besonders interessant, weil wir einen Zusatz in deutscher Sprache haben, auf dem ihr Sterbealter (67 Jahre) und sowohl Geburts- als auch Sterbedatum vermerkt sind! Aber in der deutschen Inschrift ist ihr Ehemann nicht vermerkt, diese zweifelsohne bedeutende genealogische Information finden wir nur in der hebräischen Inschrift!

Für Genealogen wichtig ist es zu wissen, dass grundsätzlich ‒ bis heute ‒ der Brauch bei aschkenasischen Juden gilt, das Kind nach einem verstorbenen Verwandten zu nennen. Dann sollte es aber auch der Name eines Verstorbenen sein, der nicht in jungen Jahren oder eines unnatürlichen Todes starb. Ein Brauch, der den Namen und die Erinnerung lebendig halten soll. Zudem ist es für den Verstorbenen eine große Ehre, denn die Seele kann durch die guten Taten, die der Namensvetter vollbringt, eine höhere Stufe erreichen.

Darauf können wir uns im Normalfall auch wirklich verlassen. Nur sehr selten finden wir in Inschriften etwa „Issachar bar Issachar“ oder „Mosche ben Mosche“, also dass der Sohn genauso wie der Vater heißt. Das könnte darauf hindeuten, dass der Vater kurz vor der Geburt des Sohnes starb!

Sefardische Juden wiederum geben ihren Kindern den Namen eines noch lebenden Verwandten. Sie halten sich dabei an den Talmud, der von einem Kind berichtet, das nach Rabbi Natan genannt wurde, als dieser noch lebte (babylonischer Talmud, Traktat Schabbat 134a).

Wie aber finden Sie nun, wenn Sie nicht oder kaum Hebräisch können, den Namen in einer hebräischen Inschrift? Ich sehe vor allem drei Möglichkeiten:

  • Der Name ist größer als der Rest der Inschrift geschrieben, das sehen wir sehr schön in der Inschrift von Charlotte Schwarzl Spitzer (Zeile 5). Mit anderen Worten: Sie benötigen eine Liste mit den hebräischen Buchstaben und können im Regelfall den Namen problemlos lesen. Alle Buchstaben mit ihren Zahlenwerten finden Sie selbstverständlich in der zum Download bereitgestellten pdf-Datei: Alefbet (hebräische Buchstaben), Zahlenwerte, Namensbeispiele (pdf, 87KB).

  • Der Segenswunsch nach dem Namen: „Wie das Amen im Gebet“ folgt hinter dem Namen eines Verstorbenen / einer Verstorbenen der Segenswunsch עליו \ עליה השלום, „auf ihm/ihr sei Friede“, נוחו עדן „seine Wonne / Ruhe möge im Garten Eden sein“ oder ז“ל „sein / ihr Andenken möge bewahrt werden“, bei besonders Gelehrten זצ“ל „das Andenken des Gerechten möge bewahrt werden“ o.ä.

    Auch in der Inschrift von Charlotte Spitzer finden wir nach dem Namen den Segenswunsch עליה השלום „auf ihr sei Friede“, nach dem Namen ihres Ehemanns: עליו השלום „auf ihm sei Friede“.

    Noch ein Beispiel, der Grabstein von Johanna (Lea Chana) Janowitz, gestorben 1902, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt:

    Grabstein / gravestone Johanna (Lea Chana) Janowitz, 05/09/1902

    Grabstein / gravestone Johanna (Lea Chana) Janowitz, 05/09/1902, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



    Hier finden wir sowohl den Namen der Verstorbenen „Lea Chana Janowitz“ (Zeile 4 und 5), als auch den Namen ihres Ehemanns „Jakob Janowitz“ (Zeile 7) größer geschrieben und Sie finden nach den beiden Namen jeweils zwei verschiedene Segenswünsche: נ“ע „Ihre Wonne / Ruhe möge im Garten Eden sein“ nach ihrem Namen, und ז“ל „sein Andenken möge bewahrt werden“ nach seinem Namen.

    Auch hier gilt für die Praxis: Halten Sie Ausschau nach den Segenwünschen, es sind in der Regel nur zwei bis drei, die am häufigsten vorkommen und Sie können mit Sicherheit davon ausgehen, dass davor der Name steht! Die wichtigsten Segenswünsche finden Sie in der zum Download bereitgestellten pdf-Datei: phrasenDeutsch.pdf (99KB).


  • Neben dem größer geschriebenen Buchstaben und dem Segenswunsch nach dem Namen gibt es sehr oft noch eine dritte Möglichkeit, den Namen in einer hebräischen Inschrift zu erkennen: das sogenannte Akrostychon!

    Einleitungsformel, Name und Sterbedatum sind in einer Inschrift oft ergänzt durch einen oft auffällig langen Teil, den wir Eulogie nennen, also Lob oder Lobrede. Auf die Eulogie werde ich gleich noch genauer eingehen, im Moment reicht es zu wissen, dass wir in diesem Abschnitt oft die ersten Buchstaben mancher Zeilen oder auch aller Zeilen größer geschrieben sehen oder auch einfach besonders markiert, also etwa mit Punkten über den Buchstaben.

    Bleiben wir bei unserem Beispiel des Grabsteins der Charlotte Schwarzl Spitzer:

    Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914

    Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



    Hier sehen Sie die Anfangsbuchstaben aller Zeilen der Eulogie deutlich größer geschrieben. Lesen wir nun diese Buchstaben von oben nach unten, ergeben sie den hebräischen Vornamen der Verstorbenen: שווארצל „Schwarzl“! Das nennt man Akrostychon.

    Ähnlich bei unserem anderen Beispiel, dem Grabstein von Johanna Janowitz:

    Grabstein / gravestone Johanna (Lea Chana) Janowitz, 05/09/1902

    Grabstein / gravestone Johanna (Lea Chana) Janowitz, 05/09/1902, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



    Hier sehen Sie sowohl größer geschriebene Anfangsbuchstaben in den ersten 3 Zeilen von oben nach unten als auch in Zeile 4 der Eulogie. Zusätzlich finden sich über allen größer geschriebenen Buchstaben auch Punkte. Also sehen wir zweimal den Vornamen לאה Lea und einmal den zweiten Vornamen חנה Chana, ein Akrostychon senkrecht und zwei Akrostycha waagrecht.

    Grabstein / gravestone Chaja Schlesinger, 18/03/1777

    Grabstein / gravestone Chaja Schlesinger, 18/03/1777, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



    Dieser Grabstein gehört Chaja Schlesinger, die 1777 verstarb und am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt begraben ist.

    Wenn Sie vor einem solchen Grabstein stehen, dessen Inschrift schwer oder zum Teil sogar gar nicht mehr lesbar ist, haben Sie, aber auch ich, auf den ersten Blick wenig Chancen, Name und Sterbedatum zu finden. Die fraglichen Daten finden sich in den ersten Zeilen im Rundbogen und sind kaum mehr zu lesen. Aber wir sehen ‒ mit mittlerweile geschultem Auge ‒ das Akrostychon, das zudem noch ganz gut lesbar ist und uns den Namen verrät: חיה יפה „Chaja Jafe“. Sie war übrigens Haushälterin und ihr 6 Jahre früher verstorbener Mann Isak Buchhalter bei seinem Vater, der niemand geringerer war als Marx Schlesinger (Mordechai ben Moses Margulies). Dieser hatte schon im Wiener Ghetto eine geachtete Stellung eingenommen und war 1683 von polnischen Soldaten ermordet worden. Angemerkt sei noch, dass das hebräische Wort „Jafe“ auf Deutsch „schön“ bedeutet und spätere Familienangehörige in den Matrikenbüchern unter „Schön“ zu finden sind.

Apropos Matrikenbücher, insbesondere Geburtsbücher:

Den hebräischen Namen finden wir nicht nur in hebräischen Grabinschriften, sondern sehr häufig auch in Geburtsbüchern.

Geburtsbuch / birth book Deutschkreutz 1887

Geburtsbuch / birth book Deutschkreutz 1887



(Die hebräischen Vornamen von oben nach unten: Mose, Chana, Mose, Chajim Zvi, Bella/Bila, Sanwel, Berl, Mirjam, Sanwel, Josef)

Da der hebräische Name für die genealogische Forschung oft das Zünglein an der Waage sein kann, möchte ich dafür plädieren, dass bei der Indizierung von Geburtsbüchern auch der hebräische Name indiziert wird! Das wäre besonders dann eine große Hilfe, wenn wir zum Beispiel ein bestimmtes Grab auf einem jüdischen Friedhof mit hebräischen Inschriften suchen.

Zurück zu den Grabinschriften und zum Namen:

Der Name wird meist eingeleitet durch die Angabe des Status des oder der Verstorbenen: „Das Kind“, „der Knabe“, „das Mädchen“, „der Junggeselle“, „die junge Frau“, „die Witwe“, „der Greis“ usw. Fast ausschließlich bei Männern kommt zusätzlich noch ein Titel, der vor allem die Funktion innerhalb der Gemeinde beschreibt: der sehr verehrte Herr, der Toragelehrte, der Erhabene, der MORENU = unser Lehrer und Meister usw.

Besondere Vorsicht ist geboten bei den Wörtern הבחור „ha-bachur“, „der Junggeselle“, „der unverheiratete Mann“. Als „Bachur“ kann aber auch ein 60jähriger Mann bezeichnet werden, der nicht verheiratet war! „Bachur“ alleine ist also zunächst eine Status-Bezeichnung und keine Altersangabe! Hingegen ist הבחור החשוב wörtlich „der bedeutende Junggeselle“ immer ein junger unverheirateter Mann! Im Volksmund heißt es „chaschuv bachurl“ und bezeichnet schlechthin einen gelehrten Jüngling!

Ähnlich bei unverheirateten Frauen: הבתולה „ha-betula“ ist die unverheiratete Frau, egal welchen Alters sie ist! Hingegen meint das hebräische Wort העלמה „ha-alma“ immer eine wirklich junge (unverheiratete) Frau!

In meiner Präsentation werde ich aus Zeitgründen jetzt nicht näher auf diese Statusangaben eingehen, Sie finden aber genügend oft vorkommende Beispiele in der zum Download bereitgestellten pdf-Datei: phrasenDeutsch.pdf (99KB).



Noch einmal der beeindruckende Grabstein von Resl Theben-Nassau, gestorben 1755, begraben in Mattersdorf / Mattersburg:

Grabstein / gravestone Resl Theben, 21/04/1755

Grabstein / gravestone Resl Theben, 21/04/1755, Jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Mattersburg



Bevor ich zum nächsten Thema komme, bitte beachten Sie auch die faszinierende Inschrift, die zu den eindrucksvollsten hebräischen Inschriften zählt ‒ und sie gehört einer Frau! Und in der Inschrift vor allem das auffällig lange und ausführliche Akrostychon, das absolut alle Zeilen, immerhin 26 (!), der Eulogie umfasst:

Rechte Spalte: הרבנית מרת ריזל זל Die Rabbinersgattin, Frau Resl, ihr Andenken möge bewahrt werden,

linke Spalte: בת הרר וואלף זל נס Tochter des Herrn und Meisters Wolf, sein Andenken möge bewahrt werden, Nassau


Die Eulogie

Ich habe die Eulogie vorhin erwähnt, die Lobrede auf die Verstorbene / den Verstorbenen. Sie ist in unserem Inschriften-„Formular“ sozusagen der nächste, oft größte Teil der Inschrift. Allerdings gehören auch häufig anzufindende Attribute vor dem Namen wie „der gerechte Mann“, „die bescheidene Frau“, „der große Gelehrte“ und Statusangaben streng genommen bereits zur Eulogie.

Sie wurde in meinem ersten Vortrag schwerpunktmäßig behandelt, weil wir in der Eulogie sehr häufig biografische und für Genealogen ausgesprochen wichtige Informationen finden, die die alltägliche genealogische Arbeit enorm erleichtern können oder eine effiziente Arbeit sogar erst möglich machen.

Die Eulogie, die das Ziel hat, den Verstorbenen in den Mittelpunkt zu rücken, ist nie eine 1:1-Abbildung des realen Lebens, schon gar nicht eine exakte Abbildung des bürgerlichen Lebens, und will auch nicht primär biografische Daten überliefern. Sie ist eine quasi idealtypische Schilderung des Lebenswandels und wird daher von Genealogen meist in ihrer Bedeutung unterschätzt.

Denn durch die Tatsache, dass der Lebenswandel zunehmend immer detailreicher beschrieben und erzählt wird, geraten wir unmittelbar in das Spannungsfeld zwischen hebräischer Grabinschrift und Matrikeneinträgen in deutscher oder ungarischer Sprache. Die „hohe Kunst“, wenn ich so sagen darf, besteht eben darin, die biografisch relevanten Informationen in den stereotyp und zitatenreich formulierten Texten zu „entdecken“ und zu verstehen.

Damit Sie eine konkretere Vorstellung von einer Eulogie bekommen, möchte ich jene aus der Inschrift für Samuel Schönberger, gestorben 1911, kurz zitieren:

Grabstein / gravestone Samuel Schönberger, 04/05/1911

Grabstein / gravestone Samuel Schönberger, 04/05/1911, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Sie beginnt in Zeile 7, unmittelbar nach dem – für Sie schön erkenntlichen – Segensspruch, der dem Namen des Verstorbenen folgt: Nataniel Schönberger, auf ihm sei Friede.

Danach die 4 Zeilen der Eulogie:

7) Der jüngste Sohn des Verehrten und Prachtvollen,
8) dessen Name durch seine Gerechtigkeit und Großzügigkeit bekannt war,
9) des Herrn Samuel Niklo, auf ihm sei Friede. (Achtung: Das ist eine genealogisch relevante Information: Mit „Niklo“ ist der heute ungarische Ort Fertöszenmiklos gemeint!)
10) Er verstarb in hohem Alter, nachdem er gekommen war
11) zu Kräften (Achtung: die nächste genealogisch relevante Information: „nachdem er zu Kräften gekommen war“, bedeutet, dass er ungefähr 80 Jahre alt war, weil wir lesen in Psalm 90,10 „Die Zeit unseres Lebens währt siebzig Jahre, wenn es hochkommt, achtzig.“

Samuel Schönberger starb mit 79 Jahren.

Ich fasse zusammen: Es geht uns hier vor allem darum, dass Sie erkennen, wo in einer hebräischen Inschrift die Eulogie ist.

In der Inschrift von Charlotte Spitzer mehr oder weniger üblich im unteren Teil, in der Inschrift von Therese Jacobi, gestorben 1875 etwa gleich am Beginn! Wenn Sie die Eulogie rein von der Struktur erkennen können, wissen Sie, welchen Teil der Inschrift Sie geistig sozusagen ausklammern dürfen, um sich auf jene anderen Teile konzentrieren zu können, in denen Sie die besprochenen Elemente finden: Einleitungsformel, Name, Segenswunsch und ‒ was uns jetzt noch fehlt als nach dem Namen wichtigstes Element, das

Sterbedatum

Vorweg muss angemerkt werden, dass das Sterbedatum überall in der Inschrift stehen kann, ganz oben, oft noch vor der Einleitungsformel, unter dem Namen oder auch in der Eulogie. Uns geht es heute darum, wie Sie auch ohne Hebräischkenntnisse gut erkennen können, wo in der Inschrift das Sterbedatum steht und wie Sie dieses ins bürgerliche Datum umrechnen können.

Das Sterbedatum wird in hebräischen Inschriften ausschließlich nach dem jüdischen Kalender angegeben. Das Datum wird nie in Zahlen, sondern immer mit hebräischen Buchstaben, die einen bestimmten Zahlenwert haben, angegeben.

Das hebräische Alefbet mit Zahlenwerten und Namensbeispielen finden Sie in der zum Download bereitgestellten pdf-Datei: alefbetDeutsch.pdf (87KB).

Sehen wir uns noch einmal die Inschrift von Charlotte Schwarzl Spitzer an:

Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914

Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Die gesamte Datumsangabe finden sie in den Zeilen 7 und 8, das Sterbejahr in Zeile 8. Zunächst geht es uns vor allem um das Sterbejahr und zwar aus zwei Gründen:

  1. In der Praxis, wenn sie einen bestimmten Grabstein auf einem Friedhof mit hebräischen Grabinschriften suchen, wird es in den meisten Fällen reichen, wenn Sie das Sterbejahr eindeutig identifizieren können.
  2. Das Sterbejahr ist in der Datumsangabe meist das am einfachsten zu lesende Element.

Das Sterbejahr besteht meist aus drei Elementen:

(1) Das Wort für „Jahr“ שנת „schnat“, (2) die Buchstabenkombination, deren Zahlenwert das Sterbejahr ergibt und (3) danach drei Buchstaben, die immer dieselben Buchstaben sind.

Der Reihe nach:

Das Wort für Jahr „schnat“ kann auch abgekürzt sein mit dem ersten Buchstaben also ש“ „sch“.

Die Buchstabenkombination, deren Zahlenwert das Sterbejahr ergibt, ist in den meisten Fällen irgendwie gekennzeichnet, mit Punkten über den Buchstaben oder mit Anführungszeichen oder einfachen Strichen zwischen den Buchstaben. In unserem Beispiel sehen wir deutlich die Punkte über den vier Buchstaben.

Die drei Buchstaben nach dem Sterbejahr sind eine Abkürzung, die gekennzeichnet ist durch die Anführungszeichen! Zu lesen ist die Abkürzung לפ“ק als „lifrat katan“, was bedeutet „nach der kleinen Zeitrechnung“.

Die heute übliche jüdische Zeitrechnung geht von der Schöpfung der Welt aus und wird auf das Jahr 3.760 vor der christlichen Zeitrechnung angesetzt. Diese Zeitrechnung setzt sich nicht vor dem 11. Jahrhundert durch und hat sich bis heute erhalten. Die Umrechnung ist denkbar einfach:

Jüdischer Kalender, die jüdischen Monate

Jüdischer Kalender, die jüdischen Monate



Wenn das Jahr „minus“ 3.760 das jüdische Jahr Null ist, ist das jüdische Jahr 5.000 das bürgerliche Jahr 1240 (-3760+5000 =1240). Da Sie höchstwahrscheinlich selten in die Verlegenheit kommen werden, einen Grabstein zu finden mit einem Sterbedatum vor 1240, reicht es, wenn Sie sich 1240 als jüdisches Jahr 5000 merken.
Nun benötigen Sie nur mehr eine Liste der hebräischen Buchstaben mit ihren Zahlenwerten (s.o.).

Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914, Detail / detail

Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt, Detail / detail



Jetzt müssen wir noch die Zahlenwerte der Buchstaben wissen: In der Inschrift von Charlotte Spitzer finden wir ת Taw = 400, ר Resch = 200, ע Ajin = 70 und ד Dalet = 4, was zusammengezählt 674 ergibt.

Charlotte Spitzer starb also im Jahr 674. Gemeint ist natürlich das Jahr 5674, aber der Tausender wird in den allermeisten Fällen nicht geschrieben. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich ein Kind war und Schulaufgaben machte, schrieb meine Mama das Datum darüber und schrieb statt 1974 nur 74. Und über die 74 machte sie einen Strich um anzuzeigen, dass es 1974 heißen sollte. Ähnlich ist es hier, die drei Buchstaben nach der Jahreszahl bedeuten, wie gesagt, „nach der kleinen Zeitrechnung“, also ohne 5.000!

Wollen wir wissen, welches jüdische Jahr derzeit ist, müssen wir nur 2019 minus 1240 rechnen und erhalten 779. Wir haben also jetzt das jüdische Jahr 5779 oder 779 „nach der kleinen Zeitrechnung“.

Hier der Grabstein von Colombo Tolentino, gestorben am 16. Oktober 1873, begraben am jüdischen Friedhof von Triest:

Grabstein / gravestone Colombo Tolentino, 16/10/1873

Grabstein / gravestone Colombo Tolentino, 16/10/1873, jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Triest



Im italienischen Raum finden wir dagegen relativ häufig die Jahreszahl mit dem 5000er geschrieben: So starb Colombo Tolentino im Jahr 5634! 5000 wird mit dem Buchstaben ה „He“ geschrieben, der den Zahlenwert „5“ hat.

Nun werden die schnellen Kopfrechner unter Ihnen natürlich sofort einwenden, dass das nicht stimmt, weil 1240 und 634 natürlich 1874 ergibt und nicht 1873! Der Grund ist folgender:

Das jüdische Jahr beginnt im September/Oktober des bürgerlichen Jahres, am 1. Tischre! Daher liegen die Monate Tischre, Cheschwan, Kislew und teilweise Tevet immer schon im neuen jüdischen Jahr, aber noch im alten bürgerlichen Jahr. Da der Monat Tevet in den Dezember/Jänner fällt, kann das Datum entweder noch im Dezember des alten bürgerlichen Jahres oder im Jänner des neuen Jahres liegen. Und in der Inschrift von Colombo Tolentino lesen wir, dass sie im Monat Tischre (Zeile 6) verstarb, also noch im Jahr 1873, aber schon im „neuen“ jüdischen Jahr 5634!

Unterschätzen Sie dieses Problem nicht! In der Praxis habe ich sehr häufig das schon erwähnte Problem, ein bürgerliches Sterbedatum zu wissen und auf einem großen jüdischen Friedhof mit hebräischen Inschriften den entsprechenden Grabstein suchen zu müssen. Und wenn das Sterbedatum Herbst 1873 ist, muss ich eben 634 und nicht 633 suchen. Wenn Sie das aber nicht wissen, ist die Chance den richtigen Grabstein zu finden gleich Null. Sozusagen ein klassisches Problem, das keines mehr ist, wenn man ein wenig Bescheid weiß.

Nun sind wir von der Jahreszahl ohnehin schon einen Schritt weiter gegangen zum Monat. Selbstverständlich finden Sie alle jüdischen Monatsnamen in der zum Download bereitgestellten pdf-Datei: zeitrechnung-monateDeutsch.pdf (83KB). Wenn Sie ein wenig Glück haben, können Sie den Monat in einer gut lesbaren Inschrift auch problemlos lesen. So etwa in der uns schon bekannten Inschrift von Charlotte Spitzer in Zeile 8:

Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914

Grabstein / gravestone Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05/06/1914, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt, Detail / detail



Hier der jüdische Monat Siwan (Mai/Juni).

Und wenn wir schon so weit sind, fehlt uns nur noch der Tag im Monat, um das komplette Sterbedatum lesen zu können.

Da wir schon wissen, dass die Zahlen in hebräischen Inschriften immer mit hebräischen Buchstaben dargestellt werden, ist es recht simpel: wir brauchen einfach wieder nur die Zahlenwerte der Buchstaben. Hier י Jod = 10 und א Alef = 1 (Alef ist ja der erste Buchstabe des hebräischen Alef-Bets), also 11. Charlotte Spitzer starb also am 11. Siwan 674 und das war der 05. Juni 1914.

Ein Tipp aus der Praxis: Verwenden Sie am besten nicht eine Website, sondern eine gute Handy-App für die Umrechnung. Sowohl die Apps für Iphone (Jewish Calendar – CalJ) als auch für Android (HebDate) sind gratis, ausgezeichnet und Englisch!

Weiters ist, speziell für genealogische Belange, noch zu beachten, dass der jüdische Tag immer am Abend bei Sonnenuntergang beginnt. Wir haben daher sehr häufig den Fall, dass jemand zum Beispiel nach dem Sterbebuch am 13. Mai 1914 starb. Das war nach jüdischem Datum der 17. Ijjar 674. Allerdings ist im Sterbebuch vermerkt, dass der Tod um 23 Uhr eintrat. Damit haben wir als korrektes Sterbedatum bürgerlich den 13. Mai und jüdisch schon den 18. Ijjar.

Der Vollständigkeit halber und damit Sie nicht beim ersten Grabstein mit hebräischer Inschrift, den Sie lesen, gleich die „Flinte ins Korn werfen“, noch eine Anmerkung:

Ein sehr schönes Beispiel ist auch das Sterbedatum am Grabstein von Samuel Schlesinger, Samuel ben Moses Güns, Bruder des berühmten Rabbiners Akiba Eger! Auch Samuel Schlesinger ist am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt begraben.

Grabstein / gravestone Samuel Guens-Schlesinger, 16/05/1835

Grabstein / gravestone Samuel Guens-Schlesinger, 16/05/1835, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



In Zeile 3 und 4 der hebräischen Inschrift lesen wir:

Seine Seele ging hinweg in Reinheit im Monat Ijjar, in der Nacht zum heiligen Schabbat, zu Lag ba-Omer nach der Zahl (= Omerzählen) der Kinder Israel und wurde begraben am Sonntag, Lag ba-Omer nach der Zahl der Kinder Israel im Jahr 595.

Wenn Sie nun Lag ba-Omer לג בעומר lesen können und wissen, dass Lag ba-Omer immer der 18. Ijjar ist, wissen Sie, dass Samuel Schlesinger am Freitagabend gestorben ist und am Sonntag begraben wurde.

Aber wie schon oben gesagt, das ist schon zumindest eine Schwierigkeitsstufe höher und für die wichtigsten Daten, die wir in einer hebräischen Inschrift finden wollen, auch nicht so dringend notwendig. Denn das Jahr (Zeile 5 und 6) können Sie in jedem Fall anstandslos lesen: שנת תקצה לפק „Schnat 595 nach der kleinen Zeitrechnung“: ת Taw = 400, ק Kof = 100, צ Zadi = 90 und ה He = 5, also 595 = 1835. Sowohl das שנת „schnat“ in Zeile 5 als auch die drei Buchstaben לפק für „nach der kleinen Zeitrechnung“ in Zeile 6 können Sie problemlos erkennen und daher die Jahreszahl schnell festmachen! Selbst auf einem Grabstein eines Mannes aus prominenter gelehrter Familie mit langem und nicht einfach zu übersetzenden Eulogie-Teil in der hebräischen Inschrift.

Sie sehen übrigens hier, dass die Einleitungsformel mit den beiden Buchstaben פנ (Pe und Nun) „Hier ist begraben“ nicht ganz am Anfang der Inschrift, sondern erst nach dem Namen und dem Datum kommt, unmittelbar vor der Eulogie.

Damit kommen wir, wenn wir eine hebräische Inschrift von oben nach unten analysieren, zur letzten Einheit, zur Schlusseinheit, zur sogenannten

Schlusseulogie

Diese ist das Lob am Schluss der Inschrift, am Schluss der im Lobteil der Inschrift auf liebevolle und gelehrte Weise gehaltenen Zwiesprache mit dem Toten.
Diese Schluss-Eulogie wird fast immer abgekürzt geschrieben mit den fünf Buchstaben תנצבה Taw, Nun, Zadi, Bet und He. Ausgeschrieben bilden sie den Satz תהי נפשו \ נפשה צרורה בצרור החיים „Seine / ihre Seele möge eingebunden sein im Bund / Bündel des Lebens“. Dieser schöne Satz ist eigentlich ein Zitat aus 1 Samuel 25,29, wo Abigail zu David sagt: „…so soll das Leben meines Herrn eingebunden sein im Bündlein der Lebendigen…“. Beispiel: Grabstein Abraham Eidlitz, gestorben, 16. Mai 1868, begraben am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt:

Grabstein / gravestone Abraham Eidlitz, 16/05/1868

Grabstein / gravestone Abraham Eidlitz, 16/05/1868, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Naturgemäß findet sich der Schlusssegen, die Schluss-Eulogie am Schluss der Inschrift, zumindest in 99.9% aller hebräischen Inschriften. Eine der sicher wenigen Ausnahmen: Die Inschrift von Moses ben Josef Wertheim, gest. 1713, am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt. Er ist übrigens der Bruder des berühmten Hoffaktors und Rabbiners Samson Wertheimer! Die Schlusseulogie steht am Beginn der Inschrift! Sinnvolle Erklärung dafür habe ich aber leider nicht:

Grabstein / gravestone Mose Wertheimer, 18/07/1713

Grabstein / gravestone Mose Wertheimer, 18/07/1713, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Auf modernen jüdischen Grabsteinen finden sich in den letzten Jahrzehnten sehr oft nur mehr die Einleitungsformel und die Schlusseulogie als hebräisches Element in der Grabinschrift.

Auch ich komme zum Schluss meiner Präsentation.

Hebräische Grabinschriften zu bearbeiten, zu übersetzen und zu kommentieren, wird üblicherweise nicht als genealogische Arbeit gesehen. Bestenfalls als eine Art „Zuliefer-Arbeit“ für die eigentliche Kernarbeit. Es wäre wünschenswert, dass der Stellenwert der hebräischen Inschrift ein wenig mehr in den genealogischen Mittelpunkt rückt.

Zwei Beispiele mögen das illustrieren:

Als ich vor einiger Zeit nach Kroatien reiste und den jüdischen Friedhof von Fiume / Rijeka besuchte, fiel mir beim Betreten des Friedhofes ein sehr prominenter Grabstein auf: Antonio und Ernestina Mattersdorfer sind in Fiume begraben. Ihr Name ist der Name einer der heiligen jüdischen Sieben-Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes: Mattersdorf, das heutige Mattersburg.

Der Grabstein von Antonio und Ernestina hat auf der einen Seite eine italienische, auf der anderen Seite eine hebräische Inschrift. Bei beiden finden wir in der italienischen Inschrift nur das Geburts- und Sterbejahr, kein genaues Datum und keine Erwähnung ihrer Eltern.

Alle diese genealogisch wichtigen Daten finden wir nur in der ‒ übrigens sehr schönen ‒ hebräischen Inschrift. Und nur diese hebräische Inschrift machte es uns möglich, die Herkunft von Antonio Elchanan Mattersdorfer, seine Eltern und seine Geschwister im Südburgenland zu finden:

Geburtsbuch / birth book Elkan Mattersdorfer, 1854

Geburtsbuch / birth book Elkan Mattersdorfer, 1854



Denn selbstverständlich finden wir in den Geburtsmatriken von Schlaining nur den hebräischen Namen: Elchanan oder Elkan אלחנן (und Vater: Hebräisch: Seev זאב, Geburtsbuch: Wolf!) Mit „Antonio“ wie wir in der italienischen Inschrift lesen, wären wir nicht weitergekommen!

Wirklich erfreulich ist, dass Sie jetzt, so wie ich es versprochen habe, nach etwa einer halben Stunde die wichtigsten für genealogische Belange hebräische Elemente erkennen können: Die Einleitungsformeln, die Schlusseulogien, das Sterbedatum, zumindest das Sterbejahr (wenn auch bei beiden Jahreszahlen ohne die drei nachgestellten Buchstaben „nach der kleinen Zeitrechnung“) und den hebräischen Namen sowie die Namen der Väter der Verstorbenen:

Grabstein / gravestone Antonio / Ernestina Mattersdorfer, 1910 / 1932

Grabstein / gravestone Antonio / Ernestina Mattersdorfer, 1910 / 1932, jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Fiume/Rijeka



Wir kommen noch einmal, zum letzten Mal, zum Grabstein von Resl Theben-Nassau zurück:

Grabstein / gravestone Resl Theben, 21/04/1755

Grabstein / gravestone Resl Theben, 21/04/1755, Jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Mattersburg



Über das faszinierende Akrostychon haben wir schon gesprochen, die Abkürzung „nach der kleinen Zeitrechnung“ können wir am Ende des Rundbogens und die Schlusseulogie am Ende der Inschrift problemlos erkennen. Die Inschrift von Resl Theben-Nassau ist ausgesprochen komplex, allein die Eulogie rund um ihren Namen und ihre Abstammung macht 4 lange Zeilen aus.

Ich habe aber diesen Grabstein für den Schluss gewählt, weil die hebräische Inschrift der einzige bekannte Zeuge für Resl Theben-Nassaus Tod ist, für ihr genaues Sterbedatum, das übrigens ausgesprochen weise und tief in der biblischen Tradition verwurzelt formuliert ist.

Die hebräische Grabinschrift als einzige und verlässliche Primärquelle für die genealogische Forschung. Ich habe den Grabstein im Dezember 2014 online publiziert. Auf geni.com finden wir bei Resel Theben Nassau kein Sterbedatum und keinen Sterbeort. Moderator ist Randy Schoenberg und Randy, du bist in bester Gesellschaft! Denn niemand Geringerer als der Bibliothekar der Israeltischen Kultusgemeinde Wien, Dr. Bernhard Wachstein, dem wir die bahnbrechenden Publikationen zum jüdischen Friedhof in der Seegasse in Wien und den älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt Anfang des 20. Jahrhunderts verdanken, kennt ihren Vater Wolf ben Löb Nassau-Brilin, auf dessen Grabstein übrigens zwischen Überschrift und Text eine Brille eingraviert ist. Auch Wachstein weiß von der Existenz der Tochter Rösel, weiß aber nicht, wann sie gestorben ist und wo sie begraben wurde (Bernhard Wachstein, Die Inschriften des alten Judenfriedhofes in Wien, 2. Teil (1696 – 1783), Wien 1917, Nr. 907).

Wir wissen das aufgrund der hebräischen Inschrift!

Grabstein / gravestone Malka Austerlitz, 04/04/1743

Grabstein / gravestone Malka Austerlitz, 04/04/1743, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Manchmal ist aber alles ein wenig anders, als ich Ihnen jetzt erzählt habe … einer der beiden Grabsteine, die ich eingangs gezeigt habe, war der von Malka Austerlitz, gestorben 1743. Und ich befürchte, dass Sie außer der Schluss-Eulogie nichts erkennen können. In solchen Fällen schreiben Sie mir bitte eine Email ;-)

Danke.

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2 Kommentare zu Hilfe! Ich kann nicht Hebräisch, …

Was wir lernen sollten…

…von den Friedhofsprojekten des Österreichischen jüdischen Museums in Eisenstadt English version Eingangs-Hypothese Ortsangaben Der hebräische Name (Synagogalname) versus bürgerlichen Namen Alters- und Statusangaben Segenswünsche Sterbedatum Todesursache Downloads Der Artikel ist…

…von den Friedhofsprojekten des Österreichischen jüdischen Museums in Eisenstadt

English version


Der Artikel ist die deutschsprachige Version meines bei der 39. Internationalen Konferenz zur Jüdischen Geneaolgie in Cleveland, Ohio, am 31. Juli 2019 in Englisch gehaltenen Vortrages. Er wird bis auf die einleitende Vorstellung meiner Person hier ungekürzt wiedergegeben.

Lesen Sie auch meinen zweiten Vortrag vom 02. August 2019 „Hilfe ich kann nicht Hebräisch…„.

Ich danke sehr herzlich für die Einladung und dass ich die Gelegenheit habe, hier zu sprechen.

Vorweg: Sie müssen nicht mitschreiben oder die Sorge haben, etwas zu überhören. Sie bekommen am Schluss der Präsentation einen Link, wo Sie die gesamte Präsentation inklusive aller Beispiele sowie alle Tools downloaden können!


Die Bedeutung biografischer Informationen in hebräischen Grabinschriften.

Eingangs-Hypothese

Die hebräischen Grabinschriften führen insbesondere innerhalb der genealogischen Forschungen meist nur ein Schattendasein und bekommen nur selten den Stellenwert, den sie haben sollten.

Wenn ich mir die einschlägigen Web-Portale ansehe, allen voran natürlich das Jewish Genealogy Portal auf Facebook, fällt auf, dass zwar häufig Übersetzungshilfen von hebräischen Grabinschriften erbeten werden, dass das Interesse sich dabei aber meist auf den Namen und das Sterbedatum beschränkt. Dass also jener oft dominante Teil einer hebräischen Grabinschrift, das sogenannte Lob (die Eulogie), kaum oder gar nicht Beachtung findet.

Und das ist schade. Denn damit lässt der Genealoge mit einem sehr hohen Wahrscheinlichkeitsgrad für die genealogische Forschung enorm relevante (biografische) Daten außen vor. Daten und Informationen, die wir in den meisten Fällen eben nicht in anderen Quellen finden.

Der Titel meiner Präsentation ist:
Was wir lernen sollten von den Friedhofsprojekten des Österreichischen jüdischen Museums in Eisenstadt

Worum aber geht es bei diesem Projekt bzw. diesen Projekten?

Eisenstadt war das Zentrum der sogenannten „Sieben-Gemeinden“, hebr. „Scheva Kehillot“, also sieben heiliger jüdischer Gemeinden auf ehemals westungarischem, heute burgenländischem Gebiet. Das Burgenland ist seit 1921 das östlichste Bundesland Österreichs, an der Grenze zu Ungarn. Die Gemeinden wurden Ende des 17. Jahrhunderts besiedelt, 1938 bedeutete das endgültige Aus jeder jüdischen Ansiedlung, im Burgenland gibt es heute keine jüdischen Gemeinden mehr, nur mehr ein Dutzend Juden. Auf den 14 jüdischen Friedhöfen des Burgenlandes befinden sich etwa 8.000 Grabsteine mit fast ausschließlich hebräischen Grabinschriften. Es existieren im Burgenland keine Lagepläne von Friedhöfen. Es ist notwendig, jeden einzelnen Grabstein vor Ort zu besuchen.

Eisenstadt ist in der Region der einzige Ort, in dem wir heute zwei große jüdische Friedhöfe finden. Der mit Abstand bedeutendste jüdische Friedhof in den ehemaligen „Sieben-Gemeinden“ ist der ältere jüdische Friedhof in Eisenstadt. Der älteste Grabstein ist aus dem Jahr 1679 und der Friedhof wurde bis Sommer 1875 belegt. Der im Herbst 1875 angelegte jüngere jüdische Friedhof war der „Nachfolge-Friedhof“ des älteren und wurde bis 1938 belegt, in wenigen Einzelfällen kam es auch noch zu Begräbnissen nach 1945.

Ende Oktober 1992 wurde dieser jüngere jüdische Friedhof in Eisenstadt geschändet, 88 Grabsteine, oder präzise gesagt, die hebräischen Grabinschriften wurden mit Naziparolen und Nazisymbolen beschmiert:

Diese Schändung führte mich dazu, alle Inschriften des jüngeren jüdischen Friedhofes zu transkribieren, sie vollständig und zeilengerecht zu übersetzen und die Inschriften ausführlich zu kommentieren.

Erschienen ist die Aufarbeitung als Buch 1995 (damals, als das Internet noch in den Kindeschuhen war, noch mit Betriebssystem MS-DOS 6 erstellt und eine Herausforderung) und war in Österreich das erste (!) Buch dieser Art nach 1945.

Es ging mir vor allem darum, festzustellen, welche Grabsteine überhaupt auf diesem jüngeren jüdischen Friedhof vorhanden sind, wer also hier begraben ist (wie gesagt, Lagepläne fehlen zur Gänze!). Niemand wusste die Namen der Toten, die hier begraben sind, niemand konnte ein bestimmtes Grab finden.

Genealogische Ansprüche hatte die Publikation nur am Rande, genealogische Portale, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht, Sterbebücher mussten mühsam fotografiert und gelesen werden, wir beschränkten uns in der Publikation auf biografische Notizen.

Der ältere jüdische Friedhof in Eisenstadt hat 1085 Grabsteine mit ausschließlich hebräischen Inschriften! Wir finden keinen einzigen nicht-hebräischen Buchstaben auf dem Friedhof.

Bereits 1922 publizierte der langjährige Direktor der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Dr. Bernhard Wachstein, alle Grabinschriften des älteren jüdischen Friedhofes. Das bedeutet, dass wir zwar wissen, wer 1922 auf dem Friedhof begraben war, welche Grabsteine sich damals auf dem Friedhof befunden haben, dass wir aber bis 2015 nicht wussten, wie viele Gräber überhaupt und welche Gräber jetzt noch auf dem Friedhof zu finden sind und vor allem, wo sich welches Grab auf dem Friedhof befindet. Tausende Menschen aus aller Welt besuchen jährlich den älteren jüdischen Friedhof von Eisenstadt, aber insbesondere Angehörige und Nachfahren hatten jahrzehntelang keine Möglichkeit das Grab oder die Gräber ihrer Familienangehörigen auf dem Friedhof zu finden!

Diese sehr traurige Situation führte schließlich 2015 zum großen Projekt „Älterer jüdischer Friedhof von Eisenstadt“. Es ging dabei einerseits um eine längst überfällige historische und kulturgeschichtliche Notwendigkeit und andererseits aber vor allem auch um eine religiöse Notwendigkeit, mehr noch – um eine religiöse Pflicht. Denn es ist, nach der Pikuach Nefesch, der Rettung aus der Lebensgefahr, die wichtigste Mitzwa, Kavod Hamet, die Achtung der Würde des Toten, und dazu gehört, die Gräber der Toten zu kennen!

Die vollständige Dokumentation, sowohl des älteren als auch des jüngeren jüdischen Friedhofes (dieser folgte 2017, vor allem ergänzt mit biografischen Daten), findet sich im Internet, im Blog des Österreichischen Jüdischen Museums, wo jeder Grabstein und jede Grabinschrift abgerufen werden kann. Für Menschen, besonders Nachkommen, die ihre Verwandten und Vorfahren suchen, gibt es auf jedem Grab auf beiden Friedhöfen einen QR-Code, der zur URL des Grabsteins mit Foto, Inschrift, Links zu den Verwandten sowie Lageplan führt. Ich darf sagen ‒ ein Service, das weltweit einzigartig ist. Der genealogische Anspruch unserer Arbeit ist mit den Jahren gewachsen, war die Hauptfrage beim älteren jüdischen Friedhof „Woher sind die Menschen gekommen“, änderte sich die Frage beim jüngeren Friedhof und lautete nun „Was ist mit ihnen geschehen?“ Nämlich mit den Ehepartnern, Kindern und Schwiegerkindern, die nicht am Friedhof begraben sind.

Wenn wir über die Grabsteine und hebräischen Inschriften der beiden jüdischen Friedhöfe von Eisenstadt sprechen, sprechen wir über Grabsteine, deren hebräische Inschriften oft 40 Zeilen (!) und mehr umfassen (Guetel/Meir Austerlitz, Malka Austerlitz, Fradl/Loeb Schacherls):

Wir sprechen also von Grabinschriften, auf denen wir in der hebräischen Inschrift neben Name und Sterbedatum noch viele weitere Informationen finden, Informationen, die oft höchste genealogische Relevanz haben!

Im Folgenden daher ein deutliches Plädoyer für die hohe Relevanz von hebräischen Grabinschriften für die genealogische Forschung:

Schon eingangs habe ich versucht klar zumachen, dass der Name und das Sterbedatum sehr oft nicht die einzigen biografischen Informationen sind und dass jener oft dominante Teil einer hebräischen Grabinschrift, das sogenannte Lob (die Eulogie), kaum oder gar nicht Beachtung findet.

Als Lob bzw. Eulogie bezeichnen wir – grob gesagt – meist jenen Mittelteil einer hebräischen Grabinschrift, der vom Zeilenumfang her den größten Teil der Inschrift ausmacht und mit biblischen, nachbiblischen und rabbinischen Wendungen und Zitaten den individuellen Lebenswandel des Verstorbenen zunehmend immer detailreicher beschreibt.

Als Stilmittel werden der Reim gerne verwendet oder das Akrostychon, also dass die Zeilenanfänge ‒ von oben nach unten gelesen ‒ den Namen des oder der Verstorbenen wiederholen, oft durch größere Buchstaben oder Markierungen über den Buchstaben kenntlich gemacht (Adele Wolf, 14. Jänner 1894):

Grabstein / gravestone Adele Wolf, 14/01/1894

Grabstein / gravestone Adele Wolf, 14/01/1894, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Hier etwa hilft das Akrostychon sogar den hebräischen Namen der Verstorbenen korrekt zu lesen, da dieser in der Namenszeile ausgebrochen ist.

Obwohl die Eulogie nie eine 1:1-Abbildung des realen Lebens sein will, schon gar nicht des bürgerlichen Lebens, besteht die Herausforderung darin, die biografisch relevanten Informationen aus den stereotyp und zitatenreich formulierten Texten zu „entdecken“ und zu verstehen.

Am jüngeren jüdischen Friedhof von Eisenstadt finden wir unmittelbar nebeneinander die Grabsteine der Brüder Bernhard Austerlitz und Heinrich Austerlitz:

Grabstein / gravestone Bernhard Austerlitz, 17/06/1918

Grabstein / gravestone Bernhard (Baruch) Austerlitz, 17/06/1918, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Bernhard Baruch Austerlitz starb 1918 im Alter von 82 Jahren und hatte mit seiner Ehefrau Rosa 11 nachweisbare Kinder (4 Töchter, 7 Söhne). Wir fanden von allen Kindern die Geburtseinträge.

Dass wir in diesem Fall Mühe aufwenden sollten, nach Kindern in den Matriken zu suchen, wissen wir von der hebräischen Grabinschrift, wo es in Zeile 11 und 12 heißt:

Auch seine Kinder (wörtlich „Söhne“) und seine Nachkommen (gemeint sind wohl die Enkel und Urenkel!) unterwies er auf dem Weg der Vollkommenheit.

Das hebräische Wort בנים „banim“, „Söhne“, wird üblicherweise für „Kinder allgemein“ verwendet, und zwar meist dann, wenn nicht auch die Töchter zusätzlich und ausdrücklich erwähnt werden (wie wir gleich sehen werden).

Der daneben begrabene Bruder Heinrich (Benedikt Mose Chajim) Austerlitz ist 9 Jahre früher gestorben, am 28. Dezember 1909. Er war noch älter als sein Bruder, nämlich 85 Jahre, seine Frau Katharina, die auch am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt begraben ist, starb ebenfalls mit 85 Jahren 1921.

Grabstein / gravestone Heinrich (Benedikt Mose Chajim) Austerlitz, 28/12/1909, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt

Grabstein / gravestone Heinrich (Benedikt Mose Chajim) Austerlitz, 28/12/1909, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Und selbstverständlich begannen wir ‒ sozusagen routinemäßig ‒ in den Matriken nach Kindern des Ehepaares zu suchen, da wir davon ausgingen, dass wir ‒ wie bei seinem Bruder ‒ auch bei Heinrich und Katharina Austerlitz mehrere Kinder finden würden.

Genau diese Suche in Matriken oder anderen Quellen können sich aber Genealogen ersparen, wenn sie die Zeile 10 in der langen hebräischen Grabinschrift kennen und berücksichtigen, denn dann wird klar, dass das Ehepaar in 50 Jahren ihrer gemeinsamen Ehe kinderlos blieb (und offensichtlich auch bleiben wollte), denn in Zeile 9 und 10 lesen wir:

Chajim genoss das Leben mit der Frau, die er beinahe 50 Jahre liebte.
Er hatte keine Kinder; mehr wert als Söhne und Töchter war der gute Name, den er sich erworben hatte.

Wir lernen also: Lesen wir ausdrücklich בנות „banot“, „Töchter“, können wir uns darauf verlassen, dass es auch oder nur Töchter gab. Problematischer ist בנים „banim“, „Söhne“, weil sowohl „Kinder“ allgemein als auch explizit „Söhne“ gemeint sein können. Hier ist oft Fingerspitzengefühl bei der Übersetzung notwendig. Wenn es etwa heißt „er brachte viele ‚banim‘ in den Bund Abrahams“ sind natürlich die „Söhne“ gemeint, genauso wenn wir eine Zahl davor finden: „Ein Vater von sieben ‚banim'“ ist natürlich ein Vater von sieben „Söhnen“ und nicht „ein Vater von sieben Kindern“. Wenn wir allgemeine Formulierungen finden wie oben „Er hatte keine ‚banim'“ ist gemeint, dass er „keine Kinder“ hatte.

Ortsangaben

Ebenfalls in der Eulogie, aber auch in kurzen Inschriften ohne Eulogie, finden wir häufig Ortsangaben: Geburts- bzw. Herkunftsort oder Sterbeort. Sterbeort vor allem dann, wenn die oder der Verstorbene in einem anderen Ort als jenem, in dem sich der Grabstein befindet, verstorben ist. Grabstein von Monisch ben Mordechai aus Eibenschitz (Ivančice), gestorben 27. Jänner 1737 (מאייבשיץ „aus Eib(en)schitz“):

Grabstein / gravestone Monisch ben Mordechai aus Eibenschitz, 27/01/1737

Grabstein / gravestone Monisch ben Mordechai aus Eibenschitz, 27/01/1737, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Oder der Grabstein von Adolf Wolf, der am 07. Juli 1929 (in) במרחץ אישל „Merchatz Ischl“ = Bad Ischl verstarb, Zeile 15):

Grabstein / gravestone Adolf Wolf, 07/07/1929

Grabstein / gravestone Adolf Wolf, 07/07/1929, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Es hätte hier selbstverständlich auch die Möglichkeit gegeben, den Ortsnamen einfach Deutsch, aber mit hebräischen Buchstaben zu schreiben, man hat aber die direkte Übersetzung von „Bad“ = hebräisch „merchatz“ bevorzugt. Bad Ischl ist ein auch bei Juden sehr beliebt gewesener österreichischer Kurort im Zentrum des Salzkammergutes im südlichen Teil von Oberösterreich.

Für Genealogen ist die Angabe des Sterbeorts natürlich extrem hilfreich, weil im betreffenden Ort weitere Quellen (wie Tageszeitungen etc.) nach Spuren durchsucht werden können. Umso mehr, also etwa der Tod von Adolf Wolf nicht nach Eisenstadt gemeldet wurde, der Tod von Adolf Wolf also nicht auch im Sterbebuch von Eisenstadt eingetragen ist!

Mit anderen Worten: Nur mit der Durchsuchung des Sterbebuches Eisenstadt, also der Basisarbeit des Genealogen, würden wir Adolf Wolf nicht finden. Und andererseits wüssten wir ohne die vollständige Dokumentation des jüdischen Friedhofes in Eisenstadt und ohne das Lesen und Übersetzen der gesamten hebräischen Inschriften nicht, wo Adolf Wolf gestorben und begraben ist!

Dass der Geburts- bzw. Herkunftsort aus genealogischer Sicht von enormer Bedeutung ist, muss hier nicht weiter ausgeführt werden:

Juliana (Jütl) Holzer ist am älteren jüdischen Friedhof in Eisentadt begraben. Sie starb am 14. März 1845 und ist die erste Ehefrau des Urgroßvaters von Herrn Samuel Holzer, Natan Holzer. Jütl Holzer, in Eisenstadt geboren und zuständig nach Kobersdorf מק“ק ק“ד („aus der heiligen jüdischen Gemeinde Kobersdorf“, Zeile 3), ist 25 Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes Anton (Todros) in Eisenstadt verstorben:

Grabstein / gravestone Juliana (Jütl) Holzer, 14/03/1845

Grabstein / gravestone Juliana (Jütl) Holzer, 14/03/1845, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Eine sehr exakte Angabe des Herkunftsortes finden wir in der Inschrift am Grabstein von Jütel Cohen, gestorben 1765:

Grabstein / gravestone Juetl Cohen, 06/10/1765

Grabstein / gravestone Juetl Cohen, 06/10/1765, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Sie kommt aus Tenovice (Zeile 4) in Böhmen, hebräisch פיהם „peham“ (Zeile 5)! (Das muss man wissen, dass „peham“ eine der hebräischen Bezeichnungen für Böhmen ist). Nur am Rande sei angemerkt, dass insbesondere hebräische Namen von Orten oft große Herausforderungen darstellen, wie etwa auch das hebräische כנען „Kna’an“ weder etwas zu tun hat mit dem historischen Ort in Galiläa noch mit dem Gebiet Canaan, sondern schlicht ein weiterer hebräischer Name für Böhmen ist.

Der hebräische Name (Synagogalname) versus bürgerlichen Namen

Grundsätzlich: In hebräischen Grabinschriften ist immer und ausschließlich der hebräische Name (oder Synagogalname) angegeben, und zwar sowohl von Frauen als auch von Männern. Es wird nie der bürgerliche Name angegeben. In jüngeren Inschriften finden wir den bürgerlichen Namen gelegentlich als Zusatz in deutscher oder ungarischer Sprache, aber eben nie in der hebräischen Inschrift (Beispiele: Antonia (Taube) Hirsch, 04. Oktober 1936, jüdischer Friedhof Mattersburg, und Charlotte (Schwarzl) Spitzer, 05. Juni 1914, jüngerer jüdischer Friedhof Eisenstadt):

Wir finden also in der hebräischen Inschrift nie „Charlotte“, sondern etwa „Schwarzl“, nie „Antonia“, sondern etwa „Taube“ und nie „Armin“, sondern z.B. „Mordechai Zvi“.

Am älteren jüdischen Friedhof, darauf wurde schon hingewiesen, finden wir unter 1.085 Grabsteinen keinen einzigen bürgerlichen Namen.

Aber sogar am jüngeren jüdischen Friedhof finden wir in der heute zweiten, ursprünglich ersten Reihe, der sogenannten Rabbiner-Reihe, in der sich 22 Grabsteine aus der Zeit von 1878 bis 1937 befinden, keinen einzigen nicht hebräischen Buchstaben und folglich auch keinen deutschen Namenszusatz.

Ein sehr schönes Beispiel für die regionale Besonderheit von Nachnamen finden wir am jüdischen Friedhof von Triest in der hebräischen Grabinschrift von Adele Aschkenasi, gestorben 1873:

Grabstein / gravestone Adele Ashkenasi, 08/11/1873

Grabstein / gravestone Adele Ashkenasi, 08/11/1873, jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Triest



In der hebräischen Inschrift heißt sie Adele Aschkenasi (Zeile 2). „Aschkenas“ אשכנז ist Hebräisch „Deutschland, Deutsch“.

Sterbebuch / death book Triest, Adele Tedeschi

Sterbebuch / death book Triest, Adele Tedeschi



Wenn wir nun im Sterbebuch von Triest den Eintrag suchen, werden wir nichts finden, wenn wir Aschkenasi suchen. Denn Adele ist als „Tedeschi“ (das italienische Wort für „Aschkenasi/Deutsch“) eingetragen. Und wäre Frau Tedeschi, hebräisch Aschkenasi, z.B. aus Wien oder Eisenstadt, und die Sterbemeldung würde in ihren Heimatort geschickt werden, wäre sie unter „Deutsch“ zu finden.

Adele Aschkenasis Grabstein ist sehr klein, die Inschrift sehr kurz, dennoch gehört die Inschrift zu den reizvollsten und interessantesten Inschriften, die ich kenne, vor allem aber auch, weil in dieser so kurzen Inschrift eine Menge an genealogischen Hinweisen verpackt ist:

Grabstein / gravestone Adele Ashkenasi, 08/11/1873

Grabstein / gravestone Adele Ashkenasi, 08/11/1873, jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Triest



Denn in der hebräischen Inschrift (Zeile 3) lesen wir, dass Adele an einer מגפה „magefa“ (Plage, Epidemie) gestorben. Das Sterbebuch bestätigt das und präzisiert, dass sie die Frau des Händlers Moise Tedeschi war und mit 25 Jahren an der Cholera starb. So weit so gut.

Was wir aber im Sterbebuch nicht lesen, ist, dass Adele einen Sohn hatte, der die Epidemie offenbar überlebte. Das lesen wir nur in der hebräischen Inschrift Zeile 5 und 6! Da heißt es:

Sie verstarb an der Cholera am Schabbat „Fürchte dich nicht, denn Gott hat gehört die Stimme des Knaben„.

Aber warum behaupte ich, dass dieser Satz in der Inschrift darauf hinweist, dass der Sohn die Cholera überlebt hat?

Weil dieser Satz in der Inschrift ein Vers aus jener Parascha, also jenem Toraabschnitt ist, der am Schabbat, an dem Adele starb, gelesen wurde. Die Parascha umfasst die Bibelverse Genesis 18,1-22,24 und da finden wir auch den Satz, der in der Inschrift steht (Genesis 21,14-18).

Um die genealogische Relevanz dieses Satzes wirklich umfassend zu verstehen, zitiere ich den betreffenden Absatz aus der Parascha, wo eben auch der Satz aus der Inschrift vorkommt:

14) Früh am Morgen stand Abraham auf, nahm Brot und einen Schlauch mit Wasser und gab es Hagar, legte es ihr auf die Schulter, übergab ihr das Kind und entließ sie. Sie zog fort und irrte in der Wüste von Beerscheba umher. 15) Als das Wasser im Schlauch zu Ende war, warf sie das Kind unter einen Strauch, 16) ging weg und setzte sich in der Nähe hin, etwa einen Bogenschuss weit entfernt; denn sie sagte: Ich kann nicht mit ansehen, wie das Kind stirbt. Sie saß in der Nähe und erhob ihre Stimme und weinte. 17) Gott hörte den Knaben schreien; da rief der Engel Gottes vom Himmel her Hagar zu und sprach: Was hast du, Hagar? Fürchte dich nicht, denn Gott hat die Stimme des Knaben gehört, dort, wo er liegt. 18) Steh auf, nimm den Knaben hoch und halt ihn fest an deiner Hand; denn zu einem großen Volk will ich ihn machen.

Eindeutiger geht es nicht und die Botschaft des zitierten biblischen Verses ist klar: Adele hatte jedenfalls einen Sohn und der Satz aus der Parascha in der Grabinschrift würde keinen Sinn machen, wenn der Sohn die Cholera nicht überlebt hätte.

In jedem Fall ein wunderschönes Beispiel, dass eine auch noch so kurze hebräische Grabinschrift mehr an biografischen Hinweisen geben kann als andere genealogische Quellen!

Grabstein / gravestone Juliana Machlup, 15/03/1838

Grabstein / gravestone Juliana Machlup, 15/03/1838, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Ein besonders schönes Beispiel für den Umgang mit dem hebräischen Namen zeigt auch die hebräische Grabinschrift der mit 27 Jahren früh verstorbenen Juliana (Jentel) Machlup, gestorben 1838 und begraben am älteren jüdischen Friedhof von Eisenstadt.

In der schönen langen Inschrift lesen wir:

Eine anmutige Frau … bei der Schönheit und Lieblichkeit sich mit einem edlen Herzen vereinten. Betrübten Gemütes, bedrängt von der Zeit … kehrte sie noch eine junge zarte Lilie in das väterliche Haus zurück … erkrankte und ertrug mit Geduld das ihr auferlegte Leid … und als die Zeit für die junge Taube (Tochter des Jona) herannahte, da flog sie hoch in den Himmel hinauf

Das hebräische Wortspiel in Zeile 14 ist faszinierend: בת יונה „bat jona“ ist wörtlich „junge Taube“, aber eben auch zu übersetzen mit „Tochter des Jona“ (hebräisch „jona“ ist „Taube“). Natürlich kann der ganze Satz auch als Euphemie für das Sterben interpretiert werden.

Durch die Formulierung „bat jona“ wissen wir aber definitiv, dass der Vater von Juliana „Jona“ heißt und es ist Jona Klaber, der zum Zeitpunkt des frühen Todes seiner Tochter noch lebte, 1858, also 20 Jahre später, starb und ebenfalls am älteren jüdischen Friedhof begraben ist.

Ortsnamen als Nachname sind ein bekanntes Phänomen, über das wir hier nicht ausführlich sprechen müssen. Auf dem älteren jüdischen Friedhof von Eisenstadt finden wir bei 1085 Grabsteinen 51x den Namen Austerlitz, 50x den Namen Güns, 30x den Namen Spitz oder Spitzer, 7x den Namen Nikolsburg, weiters die Namen Neufeld, Winden, Mühlendorf, Rust, Lackenbach, Kittsee, Koblenz, Wiesbaden, Halberstadt, Wien, Krakau, Pressburg, Stampfen, Brünn oder Schaffa.

Dass die Ortsnamen in der Frühzeit (17., 18. Jahrhundert) selbstverständlich für genealogische Belange eine verstärkte Rolle spielen, liegt auf der Hand. Insbesondere dann, wenn in der hebräischen Inschrift noch der Ortsname als Name verwendet wird, sich in den Sterbebüchern und bei den folgenden Generationen aber ein ganz anderer Name findet: Etwa der Ortsname „Mühlendorf“ in der hebräischen Inschrift, im Sterbebuch eingetragen als „Pollak“.

Spannender noch sind Namen, die Berufsbezeichnungen wiedergeben und die wir ohne Hebräischkenntnisse nur schwer in den Sterbebüchern finden können. Oder vielleicht umgekehrt deutlicher:

Grabstein / gravestone Abraham Goldschmidt, 11/11/1735

Grabstein / gravestone Abraham Goldschmidt, 11/11/1735, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Finde ich in den Sterbebüchern einen Abraham Goldschmidt, gestorben 1735, und suche sein Grab am jüdischen Friedhof, muss ich wissen, dass ich, zumindest in der Frühzeit, also 17. Und 18. Jahrhundert, einen Abraham Zoref (Zeile 7) suchen muss, weil das hebräische Wort צורף „zoref“ eben „Goldschmied“ heißt.

Selbiges gilt, wenn ich in den Sterbebüchern einen Moses Schneider, gestorben 1791, finde:

Grabstein / gravestone Mose Chajjat, 16/10/1791

Grabstein / gravestone Mose Chajjat, 16/10/1791, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir in der Frühzeit am jüdischen Friedhof den Grabstein des Moses Chajjat (Zeile 4) suchen müssen, denn das hebräische Wort חייט „chajjat“ bedeutet „Schneider“.

Schließlich ist es für Genealogen sicher hilfreich, wenn sie wissen, dass Hirsch, der Sohn des Gelehrten Löb Rofe (Zeile 6), der Sohn eines Arztes ist, denn das hebräische Wort רופא „rofe“ bedeutet „Arzt“.

Grabstein / gravestone Hirsch Rofe, 11/04/1723

Grabstein / gravestone Hirsch Rofe, 11/04/1723, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Die Liste ließe sich fortsetzen, selbiges gilt natürlich auch für den Namen „chasan“ חזן, was „Vorbeter / Kantor“ bedeutet oder, um das wohl berühmteste Beispiel zu zitieren: Moses Sofer oder Moses Schreiber, weil „sofer“ סופר eben „Schreiber“ bedeutet (bekannt ist er als Chatam Sofer und war 33 Jahre lang Rabbiner von Pressburg).

Zu den in einschlägigen Foren am häufigsten gestellten Fragen gehört inwieweit hebräische Namen (Synagogalnamen) bestimmten bürgerlichen Namen entsprechen und umgekehrt, also ob von hebräischen Namen verlässlich auf bestimmte bürgerliche Namen geschlossen werden kann!

Wir kennen die „üblichen Verdächtigen“: ob der hebräische Name Mose immer Max, Sigmund immer Bernhard entsprechen würde…

Faktum ist, dass wir aus hebräischen Namen nie verlässlich auf bürgerliche Namen schließen dürfen und vice versa, wenn wir bürgerliche Namen finden, dürfen wir von diesen nie verlässlich auf hebräische Namen schließen. Zumindest müssen wir immer davon ausgehen, dass alles auch ganz anders sein kann!

Zwar häufen sich gewisse Regelmäßigkeiten wie Mordechai und Max oder Rösl und Theresia, aber es gibt genügend Beispiele, die ein ganz anderes Bild zeichnen. Selbstverständlich, und das darf nicht außer Acht gelassen werden, sind auch regionale und zeitliche Unterschiede feststellbar. Wenn wir Statistiken erstellen wollen, die zu einem seriösen Ergebnis kommen sollen, müssen vorab strenge Kriterien und Parameter festgelegt werden: Region, Zeitraum, gegebenenfalls auch religiöses Klima, also ob es sich um eine orthodoxe Gemeinde handelte usw.

So finden wir etwa nur auf den beiden jüdischen Friedhöfen von Eisenstadt, also auf insgesamt ca. 1.400 Grabsteinen für den bürgerlichen Namen

  • Max die hebräischen Namen Meir, Mordechai, Mose und Michael Zvi.
  • Für Sigmund finden wir Jesaja, Samuel, Paltiel und Issachar (nur am Rande sei angemerkt, weil vorhin die regionalen Unterschiede erwähnt wurden: für den hebräischen Namen Issachar finden wir beispielsweise in Deutschland, im Unterschied zum Osten Österreichs, meist den bürgerlichen Namen Bernhard, daneben etwa auch Hermann)
  • Für Adolf finden wir vor allem Aron und Abraham.
  • Für Alexander finden wir Saul, Süßkind, Salomo Jehuda und Sender.
  • Für Heinrich finden wir Mose Chajim und Kalonymus Zvi.
  • Für Rosa / Rosalia finden wir Rachel, Rebekka, Sara, Sarl, Selda und Süssl.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Statistische Häufungen von Entsprechungen hebräischer Name ‒ bürgerlicher Name sind oft auch in der jüdischen, biblischen Tradition verwurzelt:

So geht die Verbindung der Namen Jehuda und Leopold auf den Jakobssegen in Genesis 49,9 zurück: Hier vergleicht Jakob seinen Sohn Jehuda mit einem Löwen. Daher finden wir häufig die Gleichsetzung von Jehuda und dem hebräischen אריה „Arje“, „Löwe“, dem deutschen Löb/Löw, was dann modernisiert wird zu „Leopold“.

Noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir dürfen beim Lesen von Matrikeneinträgen nie davon ausgehen, dass der bürgerliche Name nichts anderes als eine Art Übersetzung des hebräischen Namens ist und vice versa! Es gibt zweifelsohne Regelmäßigkeiten, aber verlassen dürfen wir uns darauf nicht. Lohnend wäre es, wenn es dazu mehr seriöses statistisches Material geben würde, das heute, im technischen Zeitalter, leichter erstellbar wäre als noch vor 100 Jahren.

Geburtsbuch / birth book Deutschkreutz 1887

Geburtsbuch / birth book Deutschkreutz 1887



(Die hebräischen Vornamen von oben nach unten: Mose, Chana, Mose, Chajim Zvi, Bella/Bila, Sanwel, Berl, Mirjam, Sanwel, Josef)

Oft finden wir besonders in Geburtsbüchern auch den hebräischen Namen eingetragen. Der leider von vielen Genealogen gerne ignoriert wird. Dabei geht es primär gar nicht darum, dass sie diesen hebräischen Namen vielleicht nicht lesen können, sondern darum, dass das Bewusstsein nicht vorhanden ist, dass dieser hebräische Name für die genealogische Forschung von enormer Wichtigkeit sein kann!

Und warum das so ist, will ich Ihnen an einem sehr schönen Beispiel zeigen:

In Mattersdorf (Mattersburg), eine der sogenannten „schewa kehillot“, der heiligen „Sieben-Gemeinden“ des heutigen Burgenlandes (früher Westungarn) etwa waren Regina Trebitsch Kohn und Regina Trebitsch Kohn Schwestern! Ja, Sie haben richtig gehört. Beide Schwestern heißen Regina und sind auch so in den Hochzeits- und Sterbebüchern eingetragen. Allerdings waren die bürgerlichen Namen, also Regina in unserem Fall, nur eine Formalität, die beiden Schwestern wurden zuhause mit ihren hebräischen Namen, nämlich Rivka und Rachel, gerufen. Jede genealogische Arbeit kann daher in einem solchen Fall nur über die hebräischen Namen zu einem seriösen Ergebnis führen.

Aus der Praxis: Sie finden im Hochzeitsbuch zum Beispiel drei oder viermal in der fraglichen Zeit eine Hochzeit zwischen Ignatz Kohn und Resl Schwarz, beide Namen sind in der fraglichen Region und in der fraglichen Zeit überaus häufig. Das Alter aller Paare lag zwischen 22 und 32 Jahren. Welche Hochzeit ist nun die richtige, also ist die, die Sie suchen?

Die Lösung führt über die hebräischen Namen, die wir im optimalen Fall in den Geburtsmatriken finden oder nicht selten auch über die hebräische Grabinschrift, in der ebenfalls nur der hebräische Name genannt ist. Dass wir daher bei der Indizierung von Geburts-, gegebenenfalls Hochzeits- und Sterbebüchern, auch die hebräischen Namen indizieren sollten, wird eines der Themen in meiner zweiten Präsentation am Freitag sein.

Alters- und Statusangaben

Der Name wird meist eingeleitet durch die Angabe des Status des oder der Verstorbenen: „Das Kind“, „der Knabe“, „das Mädchen“, „der Junggeselle“, „die junge Frau“, „die Witwe“, „der Greis“ usw. Fast ausschließlich bei Männern kommt zusätzlich noch ein Titel, der vor allem die Funktion innerhalb der Gemeinde beschreibt: der sehr verehrte Herr, der Toragelehrte, der Erhabene, der MORENU = unser Lehrer und Meister usw.

Besondere Vorsicht ist geboten bei den Wörtern הבחור „ha-bachur“, „der Junggeselle“, „der unverheiratete Mann“. Als „Bachur“ kann aber auch ein 60jähriger Mann bezeichnet werden, der nicht verheiratet war! „Bachur“ alleine ist also zunächst eine Status-Bezeichnung und keine Altersangabe! Hingegen ist הבחור החשוב wörtlich „der bedeutende Junggeselle“ immer ein junger unverheirateter Mann! Im Volksmund heißt es „chaschuv bachurl“ und bezeichnet schlechthin einen gelehrten Jüngling!

Ähnlich bei unverheirateten Frauen: הבתולה „ha-betula“ ist die unverheiratete Frau, egal welchen Alters sie ist! Hingegen meint das hebräische Wort העלמה „ha-alma“ immer eine wirklich junge (unverheiratete) Frau!

Grabstein / gravestone Salde Klaber, 13/09/1843

Grabstein / gravestone Salde Klaber, 13/09/1843, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



In diesem konkreten Fall, der Grabstein gehört Salde Klaber, gestorben 1843, lesen wir in der ersten Zeile הבתולה „ha-betula“, also „die unverheiratete Frau“, aber in der Eulogie wird in der ersten Zeile das Wort העלמה „ha-alma“ verwendet mit einem Zitat, angelehnt an Jeremia 4,31 צרה כמבכירה „Angstschrei (über den Tod einer jungen Frau)“. Folglich müssen wir das הבתולה „ha-betula“ in der ersten Zeile natürlich als „Mädchen“ übersetzen!

Stirbt jemand relativ jung, werden meist Formulierungen wie מת בדמי ימיו „Er starb in der Mitte seiner Tage“, ein Zitat aus Jesaja 38,10 oder נקטף בעודו באבו „Er wurde gepflückt noch in seiner Blüte“, angelehnt an Hiob 8,12, verwendet.

Üblicherweise finden wir in hebräischen Inschriften nur sehr ungefähre Altersangaben wie ישיש „jaschisch“, „hochbetagt“, זקן „saken“, „alt“ oder שיבה „seva“, „Greisenalter“, oft in Formulierungen wie „Er erreichte ein gutes Greisenalter“.
מרומם „merumam“ etwa bedeutet eigentlich „erhaben“, wird aber fast ausschließlich nur bei Männern in höherem Alter verwendet.

Das alles können für genealogische Belange natürlich essentielle Informationen sein. Wenn wir bei einem Grabstein nicht sicher sind, ob er der richtige ist und wir zum Beispiel einen jung Verstorbenen suchen, aber das Wort מרומם „merumam“ in der Inschrift finden, wissen wir, dass zumindest die Wahrscheinlichkeit bei 98% liegt, dass der Verstorbene nicht der von uns Gesuchte ist. Häufig kommen alle Ausdrücke nebeneinander bzw. in einer Inschrift vor, siehe etwa Samuel Schneider, gestorben 05. Mai 1928, Zeile 2 und 10:

Grabstein / gravestone Samuel Schneider, 05/05/1928

Grabstein / gravestone Samuel Schneider, 05/05/1928, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



(2) ein alter Mann und Greis
(10) Er verstarb in gutem Ruf mit 82 Jahren

Nicht selten kommen in den hebräischen Grabinschriften der beiden jüdischen Friedhöfe in Eisenstadt aber auch Altersangaben vor, die in der jüdischen Tradition verwurzelt sind, wie etwa in der Inschrift von Samuel (Nataniel) Schönberger, gestorben 04. Mai 1911, Zeile 10 und 11:

Grabstein / gravestone Samuel (Nataniel) Schönberger, 1911/05/04

Grabstein / gravestone Samuel (Nataniel) Schönberger, 1911/05/04, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Er verstarb in hohem Alter, nachdem er zu Kräften gekommen war

Wie alt war er?

Wir lesen in Psalm 90,10 „Die Zeit unseres Lebens währt siebzig Jahre, wenn es hochkommt, achtzig.“ …ואם בגבורת שמונים שנה… und babylonischer Talmud, Traktat Avot V,25 „…80 Jahre alt zum hohen Alter…“ …בן שמונים לגבורה…. Wenn wir also in einer Inschrift lesen: „Er oder sie starb, nachdem er / sie zu Kräften gekommen war“, dürfen wir davon ausgehen, dass die- oder derjenige mit ca. 80 Jahren verstarb.
Samuel (Nataniel) Schönberger starb tatsächlich laut Sterbematriken mit 79 Jahren.

Die Angabe des Geburtsdatums in hebräischen Grabinschriften ist nicht üblich, was mit dem Bibelvers Kohelet 7,1 erklärt wird:

Besser ein guter Name als Parfüm ‒ und der Tag eines Todes als der Tag einer Geburt.

Über den „guten Namen“ in Inschriften und in der Grabsteinsymbolik gäbe es viel Spannendes zu sagen, aber das hebe ich mir für meine Präsentation am Freitag auf.

Segenswünsche

„Wie das Amen im Gebet“ folgt hinter dem Namen eines Verstorbenen / einer Verstorbenen der Segenswunsch עליו \ עליה השלום „auf ihm/ihr sei Friede“, נוחו עדן „seine Ruhe möge im Garten Eden sein“ oder ז“ל „sein / ihr Andenken möge bewahrt werden“, bei besonders Gelehrten זצ“ל „das Andenken des Gerechten möge bewahrt werden“ o.ä.

Grabstein / gravestone Hendl Hess, 1907

Grabstein / gravestone Hendl Hess, 1907, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Nicht ganz so regelmäßig und verlässlich ist der Segenswunsch bei noch lebenden Verwandten: נ“י „sein Licht möge leuchten“. In diesem Fall, Grabstein von Hendl Hess, gestorben 1907, (Zeile 5). Das Mädchen starb im Alter von 9 Jahren, der Vater lebte, erwartungsgemäß, noch und wurde übrigens 74 Jahre alt. Dass der Vater in fortgeschrittenem Alter war, erkennen wir in der Inschrift aber ‒ wir haben eben darüber gesprochen ‒ am Wort מרומם „merumam“ (Zeile 4), „erhaben“, das nur bei betagten Männern verwendet wird.

Der Segenswunsch, der meist abgekürzt ist, also gerademal aus zwei oder drei Buchstaben besteht, kann aber bei genealogischen Forschungen das Zünglein an der Waage sein, ob die Suche in die richtige Richtung läuft oder nicht. Ein fast dramatisches Beispiel:

Grabstein / gravestone Franziska (Sprinze) Sabl-Reitlinger, 14/04/1879

Grabstein / gravestone Franziska (Sprinze) Sabl-Reitlinger, 14/04/1879, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Als ich 1995 das Buch über den jüngeren jüdischen Friedhof publizierte, übersah ich leider bei der Inschrift von Franziska Reitlinger den Segenswunsch עליו השלום „auf ihm sei der Friede“ in Zeile 12. Zeile 10-12 lauten:

Es versammelten sich bei ihr am Tag ihres Begräbnisses die Söhne ihres ersten Ehemannes, des Vorsitzenden und Leiters der Gemeinde, Herrn Abraham Löb Reitlinger, auf ihm sei der Friede.

So publizierten wir also Abraham Löb Reitlinger, gestorben 1907, als ihren Ehemann und Franziska als Franziska Sprinze Chaja Reitlinger.

22 Jahre lang wurde dieser fatale Fehler abgeschrieben, in genealogischen Büchern und online in genealogischen Datenbanken. Niemand hat sich die Mühe gemacht, einen Blick auf die hebräische Grabinschrift zu werfen, denn dann wäre der Fehler natürlich sofort aufgefallen.

  • Durch den Segenswunsch „auf ihm sei Friede“ wird unmissverständlich klar, dass der genannte erste Ehemann Abraham Löb Reitlinger beim Ableben von Franziska (Sprinze Chaja), 1879, nicht mehr am Leben ist, demzufolge nicht 1907 gestorben sein kann! Tatsächlich starb er am 14. September 1826 in Wien und der Reitlinger, der 1907 in Paris starb, war sein Sohn Leopold (Abraham Löb) Reitlinger. Die Namensähnlichkeit von Vater und Sohn war natürlich ein Mitgrund, dass der Fehler so lange unentdeckt blieb.
  • Durch korrektes Berücksichtigen des Segenswunsches in Verbindung mit Zeile 11 („die Söhne ihres ersten Ehemannes„) der Inschrift wird klar, dass Sprinze Chaja jedenfalls ein zweites Mal geheiratet haben muss (weil sonst „erster Ehemann“ keinen Sinn macht). Dieser zweite Ehemann, Herr Markus Mordechai Sabel-Wiesbaden, so wissen wir heute, starb schon 1830. Da seine erste Frau im Februar 1827 starb, kann er Franziska erst frühestens Ende 1827 geheiratet haben. Markus Sabel starb nach ca. 2 Jahren Ehe und war zum Zeitpunkt des Ablebens von Franziska schon 49 Jahre tot!

Und auf einmal, nach 22 Jahren, passte auch der Eintrag im Sterbebuch:

Sterbebuch Franziska Sabl, 16/04/1879

Sterbebuch Franziska Sabl, 16/04/1879



Franziska (Sprinze Chaja) ist als Franziska Sabel eingetragen, und nicht als Franziska Reitlinger, die wir 22 Jahre lang suchten.

Wir lernen aus dieser Geschichte: Achten Sie bitte immer penibel auf die Segenswünsche!

Schließlich kommen wir noch zum

Sterbedatum

Das Sterbedatum wird in hebräischen Inschriften ausschließlich nach dem jüdischen Kalender angegeben. Das Datum wird nie in Zahlen, sondern immer mit hebräischen Buchstaben, die einen bestimmten Zahlenwert haben, angegeben. Wie dieses Datum auch für Nicht-Hebräischkundige erkannt und einfach umgerechnet werden kann, ist Thema meiner zweiten Präsentation am Freitag.

Der Grabstein von Samuel Breier, gestorben am 13. Dezember 1904, begraben am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt:

Grabstein / gravestone Samuel Breier, 13/12/1904

Grabstein / gravestone Samuel Breier, 13/12/1904, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Sie sehen hier schön (Zeile 6), dass das Sterbedatum mit hebräischen Buchstaben angezeigt wird, nie mit Zahlen!

Wenn das Sterbedatum in der hebräischen Inschrift nicht mit dem Sterbedatum im Sterbebuch oder anderen Quellen übereinstimmt, ist die entscheidende Frage in der Praxis immer, welchem Datum vertrauen wir mehr, dem in der Inschrift oder dem im Sterbebuch?

Grabstein / gravestone Mose Elias Gelles, 04/05/1865

Grabstein / gravestone Mose Elias Gelles, 04/05/1865, älterer jüdischer Friedhof / older Jewish cemetery in Eisenstadt



Der Kaufmann Moses Elias Gelles starb laut hebräischer Grabinschrift, die auch heute noch klar zu lesen ist (Zeile 4) am 08. Ijjar 625, umgerechnet Donnerstag, 04. Mai 1865 und ist am älteren jüdischen Friedhof in Eisenstadt begraben. In der hebräischen Inschrift ist auch der Wochentag (5. Tag = Donnerstag) angegeben.

Sterbebuch / death book Mose Gelles, 04/05/1865

Sterbebuch / death book Mose Gelles, 04/05/1865



In den Sterbematriken findet sich allerdings das Sterbedatum 04. Juni 1865 (also Datumsdifferenz von 1 Monat!). Der Sterbeeintrag wurde offensichtlich nachgetragen und trägt die „laufende Nummer“ 11a.

Was die Sache prima vista schwieriger macht, ist, dass sich in den Sterbematriken das Sterbedatum auch auf Hebräisch findet, und zwar wie folgt:

בהעלתך יום א „am 1. Tag (Sonntag) der (Woche der) Parascha / des Toraabschnitts ‚Wenn du die Lampen auf den Leuchter steckst'“ (Numeri 8,1), und das ist im Jahr 625 / 1865 Sonntag, der 10. Siwan = 04. Juni! Also sowohl Datum als auch Wochentag komplett anders als in der hebräischen Inschrift.

Dies bedeutet, dass das hebräische Datum eindeutig das bürgerliche Sterbedatum des Sterbeeintrags im Sterbebuch heranzieht und zwar korrekt rückrechnet, dennoch aber letztlich das falsche Datum liefert. Erwartungsgemäß wird nicht das Datum der hebräischen Grabinschrift genommen, da der Matrikeneintrag bereits im Juni 1865 erfolgte, der Grabstein mit der Grabinschrift aber sehr wahrscheinlich erst am 1. Jahrzeittag nach einem Jahr, also am 04. Mai 1866, gesetzt wurde.

Es darf also so gut wie sicher davon ausgegangen werden, dass der Matrikenführer Mai mit Juni verwechselte und das Sterbedatum falsch eintrug (noch zumal es keinen Eintrag im Mai gibt).

Ein interessantes Beispiel, wo weder der (bürgerliche) Eintrag im Sterbebuch noch der hebräische Eintrag im Sterbebuch, sondern das hebräische Datum in der Grabinschrift der verlässlichste Datumslieferant ist!

Insbesondere bei verderbten und nachgetragenen Matrikeneinträgen ist es von enormem Vorteil, auch die hebräische Grabinschrift zur Verfügung zu haben bzw. diese eben entsprechend zu berücksichtigen.

Nach meiner Erfahrung ist auf die Genauigkeit des Sterbedatums in den hebräischen Inschriften insbesondere dann mehr Verlass als auf Einträge in Sterbebüchern, wenn das Sterbedatum (oder auch das Begräbnisdatum) mit sehr viel Mühe und Akribie verfasst wird:

Grabstein / gravestone Rosa Schlesinger, 15/09/1875

Grabstein / gravestone Rosa Schlesinger, 15/09/1875, jüdischer Friedhof / Jewish cemetery in Mattersburg



Rosa Schlesinger ist 1875 gestorben und am jüdischen Friedhof Mattersdorf / Mattersburg begraben, ihren Grabstein gibt es nicht mehr. Ihre Mutter ist Sara, Tochter von Rabbi Akiba Eger!

Drittvorletzte und vorletzte Zeile:

und wurde zur Ruhe gebracht am Freitag danach, Erev Schabbat Kodesch, Parascha ‚Ki Tavo‘ (Deuteronomium 26,1-29,8) „Wenn du in das Land hineinziehst…“) 635 nach der kleinen Zeitrechnung = Freitag, 17. September 1875

Es liegt auf der Hand, um ein ‒ in diesem Fall ‒ Begräbnisdatum so zu formulieren, reicht es nicht, einfach einen Blick auf den jüdischen Kalender zu werfen, da ist wesentlich mehr Mühe, mehr Genauigkeit, mehr Traditionsbewusstsein und mehr religiöses Wissen verlangt.

Sehr verehrte Damen und Herren,

so sehr ich die Nicht- oder Zu-wenig-Beachtung der hebräischen Grabinschriften und anderer hebräischer Quellen (wie Jahrzeittafeln, hebräische Einträge in den Matriken etc.) in der genealogischen Forschung bedauere!, es ist die schöne Sprache der oft mit so viel Weisheit und Liebe geschriebenen Inschriften, die mich nach wie vor am meisten fasziniert. Und ich würde mir wünschen, dass es mir gelungen ist, Sie für diese Schönheit der Sprache der hebräischen Inschriften ein wenig zu begeistern, auch abseits des genealogischen Interesses.

Todesursache

Die häufig in Sterbematriken vermerkte Todesursache spielt für Genealogen keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle (Ausnahme: persönliches Interesse). Ebenso finden wir in hebräischen Grabinschriften nur selten einen Hinweis auf die Todesursache (Ausnahme: Märtyrer, Seuchenopfer usw.).

Hin und wieder findet sich aber eine besonders schöne Formulierung:

Grabstein / gravestone Elias Abraham Gabriel, 15/02/1878

Grabstein / gravestone Elias Abraham Gabriel, 15/02/1878, jüngerer jüdischer Friedhof / younger Jewish cemetery in Eisenstadt



Elias (Abraham) Gabriel starb am 12. Adar I 638 (15. Februar 1878)

mit einem göttlichen Kuss im Alter von 71 Jahren…

lesen wir in Zeile 2.

Zitiert ist hier der babylonischer Talmud, Traktat Moed Qatan 28a und Baba Batra 17a, wo es heißt „…und Mirjam starb ebenfalls (d.h. wie Mose) mit einem (göttlichen) Kuss (d. h. ohne Qual und Schmerz)…“ Siehe auch Traktat Berachot 8a „…die leichteste (Todesart) ist der Kuss(tod)…“.

Elias (Abraham) Gabriel starb einen leichten Tod und ist in der sogenannten Rabbinerreihe am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt begraben.


Danke!


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1 Kommentar zu Was wir lernen sollten…

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Jüdischer Friedhof Währing Links zum Projekt Zur Übersichtsseite des Projekts „Jüdischer Friedhof Währing“ Die Grabsteine (The Gravestones) (work in progress) Personenregister Über die Geschichte des jüdischen Friedhofs Währing gibt es…

Jüdischer Friedhof Währing

Links zum Projekt


Über die Geschichte des jüdischen Friedhofs Währing gibt es mittlerweile umfangreiche, zum großen Teil auch online verfügbare Literatur. Wir beschränken uns daher in dieser Hinsicht nur auf die nötigsten Informationen.

Der jüdische Friedhof Währing ist der zweitälteste jüdische Friedhof Wiens. Die Sanitätsverordnung Kaiser Josefs II. von 1784 hatte aus hygienischen Gründen Friedhöfe innerhalb des Linienwalls verboten und zur Auflösung des ältesten jüdischen Friedhofes von Wien, dem in der Seegasse, geführt. Der nun angelegte jüngere Friedhof in Währing wurde zwischen 1784 und 1879 belegt. Nach der Schließung des Friedhofes in Währing fanden die meisten Begräbnisse auf dem alten israelitischen Friedhof beim 1. Tor des Zentralfriedhofs, ab 1917 auch beim 4. Tor, statt (mehr Informationen zum Friedhof etwa auf „geschichtewiki.wien.gv.at„.

Der heute noch erhaltene älteste Grabstein auf dem jüdischen Friedhof Währing ist der von Simon Salomon Sinzheim. Er starb am 13. April 1784 an Auszehrung und Erschöpfung (!) und war der Neffe von Löb Sinzheim, einem der bedeutendsten Hoffaktoren und Wiener jüdischen Finanzmänner des 18. Jahrhunderts.

Die Belegung des Währinger Friedhofs spiegelt die gesamte soziale Breite der jüdischen Bevölkerung Wiens im 19. Jahrhundert wider: Bedeutende, sogar geadelte Familien wie Arnstein, Wertheimstein und Todesco sind hier begraben, und am anderen Ende der Leiter Hausierer, Bettler und die verachteten Schnapsbrenner und Schankwirte, die „Branntweiner“, wie sie in Wien genannt wurden. Ihre Herkunftsorte umfassen die gesamte Landkarte der habsburgischen Monarchie sowie viele deutsche Städte.

Keil Martha, Von Baronen und Branntweinern (Original: Martha Keil, Elke Forisch, Ernst Scheiber (Hg.): Denkmale – Jüdische Friedhöfe in Wien, Niederösterreich und Burgenland . Hg. von Club Niederösterreich, Institut für Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, S. 54-59.)

Der Plan der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, um 1900 den jüdischen Friedhof Währing in einen öffentlichen Park umzugestalten, dürfte Mitarbeiter der Kultusgemeinde dazu veranlasst haben, alle Grabinschriften abzuschreiben. Die etwa 9.500 Abschriften wurden in den Central Archives of the Jewish People in Jerusalem wieder gefunden.
Die Abschriften wurden einige Jahre später vom Archivar der Israelitischen Kultusgemeinde, Dr. Pinkas Heinrich (geb. 25. Oktober 1865 in Iași (dt.: Jassy, viertgrößte Stadt Rumäniens), zuständig nach Wien, gest. 02. Dezember 1932 in Wien) überarbeitet. Und zwar wirklich akribisch überarbeitet: Denn Heinrich korrigierte nicht nur die Abschreibefehler auf den Blättern, sondern auch die Fehler, die die Steinmetze auf den hebräischen Grabinschriften verursachten. Dass diese Vorgangsweise bald zu Unstimmigkeiten mit der Leitung der Kultusgemeinde führen musste, liegt auf der Hand, waren doch insbesondere die entstehenden Kosten durch die von Heinrich aufgetragenen Korrekturen der Steinmetze und, falls erneut Fehler passierten, wiederholte Korrekturen, bald zu hoch…
Für uns heute sind die Überarbeitungen Heinrichs von unschätzbarem Wert, weil er nicht nur die Abschriften auf Fehler hin korrigierte und der Zeilengerechtigkeit Rechnung trug, sondern zusätzlich viele biografische Hinweise, v.a. auf Grundlage des Totenbuchs, auf den Blättern nachtrug.
Sie finden bei jedem von uns online gestellten Grabstein auch den Scan der Abschrift (so vorhanden) mit den Korrekturen / Ergänzungen von Dr. Pinkas Heinrich.

Nota bene: Ohne die Abschriften und die Korrekturen und Ergänzungen von Dr. Pinkas Heinrich wäre es bei sehr vielen Gräbern heute unmöglich, sie korrekt zuzuordnen!


Der unscheinbare Grabstein von Dr. Pinkas Heinrich befindet sich auf dem Zentralfriedhof, Tor IV, Gruppe 14a, Reihe 9, Stein 44 (übrigens nur wenige Meter entfernt von den Gräbern der aus dem jüdischen Friedhof Währing Exhumierten und am Zentralfriedhof Wiederbestatteten, s.u.). Dr. Heinrich war unverheiratet, das Begräbnis wurde durch seine Versicherung bezahlt. Die hebräische Inschrift ist sehr kurz, trotzdem wird sie dem Gelehrten gerecht:

Der vollkommene Weise, der Forscher,
MORENU (unser Lehrer und Meister) Pinkas Heinrich.
E(r starb) am 3. Kislew 693 (= 02. Dezember 1932).
S(eine Seele) m(öge eingebunden sein) i(m Bündel) d(es Lebens).


Jüdischer Friedhof Währing und Eisenstadt

Viele Grabsteine des jüdischen Friedhofs Währing führen uns nach Eisenstadt. Familien von Wien zogen nach Eisenstadt, die nächste oder übernächste Generation dieser Familien und andere Familien von Eisenstadt nach Wien. So wird etwa Heinrich (Zwi Hirsch) Janowitz am 18. März 1838 in Eisenstadt geborgen, war Kleinhändler in Wien, starb dort am 26. Juli 1866 und ist am jüdischen Friedhof in Währing begraben. Seine rein hebräische Grabinschrift gibt den Herkunftsort an:

S(ohn des) wundervollen Rabbinischen, unseres Lehrers und Meisters Jakob Janowitz von den Einwohnern der heiligen jüdischen Gemeinde Eisenstadt.

Vater Jakob ben Mendel Janowitz, gest. 1872, ist, so wie drei seiner Schwestern und zwei seiner Brüder, am älteren jüdischen Friedhof, Mutter Johanna Lea Chana Janowitz, gest. 1902, sowie Schwester Katharina, verh. Austerlitz, gest. 1921, sind am jüngeren jüdischen Friedhof in Eisenstadt begraben.
Ebenfalls am älteren jüdischen Friedhof begraben sind die Großeltern väterlicherseits, Mendel Janowitz, gest. 1832, und Katharina Gütel Janowitz, gest. 1841, sowie die Großeltern mütterlicherseits, Alexander Süßkind ben Rafael Pollak Mühlendorf, gest. 1853 und Maria Mirl Pollak, gest. 1873.

Nach Eisenstadt führt uns der jüdische Friedhof Währing aber auch ab dem Jahr 1939. Denn im Frühjahr dieses Jahres hatte Dr. Richard Pittioni als Leiter des „Burgenländischen Landschaftsmuseums“ in Eisenstadt seinen Wunsch an die anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien herangetragen, zum Zwecke „rassenkundlicher“ Forschungen Grabungen an jüdischen Friedhöfen, darunter insbesondere auf dem jüdischen Friedhof Währing, durchzuführen. Im August 1939 wurde ein entsprechender Antrag von Direktor Hans Kummerlöwe beim Ministerium eingebracht.

Siehe vor allem: Teschler-Nicola Maria und Berner Margit, Die Anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums in der NS-Zeit; Berichte und Dkumentation von Forschungs- und Sammlungsaktivitäten 1938-1945, Seite 5.

Bild links: Im Bombentrichter finden sich unzählige Inschriftenfragmente, die nur sehr mühsam zusammengesetzt bzw. zugeordnet werden können.


Exkurs: Dr. Richard Pittioni

Unter besonderer Berücksichtigung Eisenstadts, des ehemaligen jüdischen Viertels, des Landesmuseums, der Wolfsammlung und unserer privaten Synagoge

Der Prähistoriker Richard Pittioni war prägend für die Urgeschichtsforschung des 20. Jahrhunderts in Österreich. Unzählige Publikationen sprechen für sein wissenschaftliches Schaffen, Auszeichnungen und Ehrungen für sein fachliches Ansehen. […] Abgesehen von fachlichen Publikationen erscheint der Name Pittioni in Texten, die sich im relevanten Kontext mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Einerseits findet Pittioni darin Erwähnung als Opfer des NS-Regimes, dem die Lehrbefugnis aberkannt und das in die Provinz abgeschoben wurde, andererseits scheint Pittionis Name immer wieder in Publikationen auf, die sich mit anthropologischen Grabungen zur Gewinnung von Skeletten als Forschungsmaterial auf jüdischen Friedhöfen während der NS-Zeit sowie mit der Verwendung von geraubten Judaica auseinandersetzen.

Pittioni versuchte, den privaten Tempel Wolfs, den „Wertheimertempel„, unter Denkmalschutz stellen zu lassen, was von der Zentralstelle für Denkmalschutz nicht genehmigt wurde, da dieser für künstlerisch und kulturell zu wenig wertvoll befunden wurde. […] Der Grund für Pittionis Bemühungen war, dass das gesamte jüdische Ghetto Eisenstadts zerstört und neu erbaut werden sollte. Am 4. April 1939 fand eine Begehung des Ghettos zur Klärung des weiteren Verfahrens mit den Gebäuden statt, bei der neben Vertretern verschiedener Stellen auch Pittioni zugegen war. Die Häuser des Ghettos wurden als verwahrlost und zur Bewohnung nicht geeignet bezeichnet, Sanierungsmaßnahmen wären zu teuer. Auch Überlegungen, den offiziellen Eisenstädter Tempel zu schützen und als jüdisches Museum einzurichten, wurde aufgrund der Lage verworfen. Allein der jüdische Friedhof und die zur Weinhandlung Wolf sowie zum privaten Museum Wolfs gehörigen Gebäude wurden von der geplanten Zerstörung ausgenommen.

Friedmann Ina, Der Prähistoriker Richard Pittioni (1906-1985) zwischen 1938 und 1945 unter Einbeziehung der Jahre des Austrofaschismus und der beginnenden Zweiten Republik, Wien 2013, Seite 9; 46.


Intensive Kontakte hatte Pittioni unter anderem mit dem Orientalisten der Universität Wien, Dr. Viktor Christian, der gemeinsam mit anderen Professoren schon seit 1924 als „Hakenkreuzprossor“ bezeichnet wurde (und übrigens Lehrer von Prof. Kurt Schubert war, der Christian als „philosemitischen Nazi“ bezeichnete), und mit Josef Wastl, dem Leiter der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums. Dieser hatte 1939 die Ausstellung „Das körperliche und seelische Erscheinungbild der Juden“ initiiert. Wastl war 1932 der NSDAP beigetreten und hatte eine illegale Betriebszelle am Naturhistorischen Museum gegründet, hielt einen Schulungskurs für Parteifunktionäre zum Thema Rassen- und Vererbungslehre und führte Vermessungen an Kriegsgefangenen sowie an im Wiener Stadion inhaftierten „staatenlosen“ polnischen Juden, die danach ins KZ Buchenwald deportiert wurden, durch. Wastl war auch an der Hebung und Inventarisierung von Skeletten des jüdischen Friedhofs Währing beteiligt.

Siehe Friedmann Ina, a.a.O., Seite 47; bes. Fußnote 365.

Zwischen Sommer 1941 und Frühjahr 1943 erfolgten drei Phasen von Grabzerstörungen und Exhumierungen. […]

Um insbesondere die Gründungsväter und verdiente Mitglieder der IKG vor Leichenschändung zu bewahren, exhumierte eine Gruppe von Juden unter dem Leiter des Friedhofsamts, Dr. Ernst Feldsberg, in mehreren Etappen ab Juni 1941 die Angehörigen von dreizehn prominenten Familien, darunter Nathan Arnstein, Michael Lazar Biedermann und Isak Löw Hofmann von Hofmannsthal. Die Gebeine wurden in Einzelgräber am neueren jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs, Viertes Tor, umgebettet.

Keil M., a.a.O.

1941 wurden insgesamt 127 Personen exhumiert und auf beiden jüdischen Abteilungen des Wiener Zentralfriedhofes wiederbestattet, siehe dazu besonders Wolf-Erich Eckstein, Historische Recherche zur Vorbereitung der Restaurierung von Gräbern der 1941/42 aus dem Währinger Israelitischen Friedhof Exhumierten und am Zentralfriedhof, 4. Tor, Gruppe 14a 1941/42 und 1947 Wiederbestatteten, Wien 2015 (pdf).


Bild links: Hermann Todesko, Großhändler, Bankier, Direktor der Gloggnitzer Eisenbahn, geb. 21.11.1791 Wien, gest. 23.11.1844, Wien, 53 J., exhumiert 10. Dezember 1941, wiederbestattet am Zentralfriedhof, Tor IV, 16. Dezember 1941. Das (nicht belegte) Grab auf dem jüdischen Friedhof Währing wurde jüngst renoviert.

Bild Mitte: Grab Hermann Todesko am Zentralfriedhof Tor IV.


Am 8. Jänner 1942 beschlossen die Wiener Ratsherren […] die Auflassung aller jüdischen Friedhöfe Wiens. Der Währinger Friedhof wurde durch die umsichtige Intervention von Robert Kraus, einem Beamten des Wiener Kulturamts, in eine Grünanlage und ein Vogelschutzgebiet umgewidmet.

Keil M., a.a.O.[1]


Bild links: Grabinschrift Moses Aron Hönig (damals noch nicht „Hönigsberg“): In deutscher Sprache, aber mit hebräischen Buchstaben: „… Tabak- und Siegel-Gefäll Direktor…“.

Bild Mitte: Franciska (Fradl) Sulzer, geb. Hirschfeld, aus Hohenems, Ehefrau des Kantors Salomon Sulzer, gest. in Wien Stadt 494 mit 46 Jahren am 10. Juni 1855, begraben am 11. Juni 1855. Text: „Der unvergesslichen Gattin und Mutter“ und „Die dankbaren Kinder“ (immerhin 16!).


Was ist geschehen und was ist nicht geschehen?

Seit vielen Jahren laufen Initiativen und Projekte, um den jüdischen Friedhof Währing zu sanieren und aufzuarbeiten. Wir haben darüber auch immer wieder berichtet, etwa hier.

Zwischen 1992 und 1998 lief das Projekt „Der jüdische Friedhof Währing als Quelle zur Sozialgeschichte der Juden Wiens 1784-1874 am Institut für jüdische Geschichte Österreichs„:

Als Ergebnis eines Forschungsprojekts des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in den Jahren 1992–1998 wurde eine umfangreiche Datenbank erstellt.

Sie enthält in 8.600 Einträgen Namen, Herkunftsort, Adresse, Beruf, Lebensdaten, Todesursache und Grabnummer von denjenigen Jüdinnen und Juden, die am Währinger Jüdischen Friedhof beerdigt sind. In einem Kooperationsprojekt mit der Bar Ilan Universität Tel Aviv werteten Shlomo Spitzer und sein Team die Grabsteininschriften aus.

Leider sind die Ergebnisse nur zum Teil publiziert und damit keinem größeren Publikum zugänglich.
Darüber hinaus ist bis auf einzelne Publikationen und regelmäßig veranstaltete Freiwilligentage bis heute nicht viel passiert.

Mit einer erwähnenswerten Ausnahme:
Schon 2012 indizierte Traude Triebel alle Sterbebücher der IKG (übrigens ohne öffentlichen Auftrag und ohne Fördergelder!), die den jüdischen Friedhof Währing (Wien) betreffen, siehe dazu unseren Blogartikel „Neue Datenbank mit ca. 29.000 Einträgen von 1784 – 1879„.

Eine dringend notwendige seriöse und umfassende Aufarbeitung des jüdischen Friedhofs Währing lässt weiter auf sich warten.

Ein neu gegründeter Verein gibt nun Anlass zur Hoffnung:

2017 gründete Günther Havranek den Verein „Rettet den jüdischen Friedhof Währing„. Sprecherin des Vereins ist Dr.in Jennifer Kickert. In der Grundsatzerklärung heißt es unter anderem:

Der Verein „Rettet den jüdischen Friedhof Währing“ hat sich das Ziel gesetzt, die Israelitische Kultusgemeinde Wien bei den notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu unterstützen. Dafür werden Spenden gesammelt, ein kleines Museum eingerichtet, Freiwilligenarbeit zur Reduktion des Pflanzenwuchses organisiert und regelmäßig Führungen veranstaltet, um das öffentliche Bewusstsein für diesen so bedeutsamen Ort in Wien stärken.

Das Österreichische Jüdische Museum in Eisenstadt unterstützt gerne den Verein, insbesondere wenn es neben den geplanten Sanierungsmaßnahmen auch um eine wirklich seriöse und längst fällige, gründliche Aufarbeitung dieses berühmten Friedhofes, der ein einzigartiges Dokument der Wiener Kultur, Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft in der Zeit des Biedermeier ist, geht.

Konkret ist gemeint, dass wir sukzessive die hebräischen Grabinschriften (es gibt tausende davon), transkribieren und möglichst auch übersetzen, jedenfalls aber die wichtigsten Daten auslesen werden, digitalisieren und vor allem online publizieren.

Projektbeginn: Schawu’ot 5779 / Juni 2019.



Links zum Projekt



[1] In einer E-Mail an mich vom 01. November 2022 erklärt Martha Keil, dass das oben zitierte „Vogelschutzgebiet“ nach neuesten Recherchen nicht nachweisbar ist und mehr unter „wishful thinking“ fällt.
Daher wurde das Zitat auf Wunsch von Martha Keil oben zur Gänze gestrichen. Der Artikeltitel bleibt aber, weil er als ‚permanent URL‘ angelegt ist und zudem alleine etwa 50 Blogartikel (nur auf der Koscheren Melange) sowie eine große Anzahl an externen Zitationen sich auf diesen Titel beziehen bzw. auf ihn verlinkt sind. [Zurück zum Text (1)]


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