Literaturwissenschaftliche Fachtagung Pädagogische Hochschule Burgenland in Kooperation mit dem Österreichischen Jüdischen Museum Eisenstadt Termin: 12. 11. 2020 von 9.00 – 17.00 Uhr Onlinetagung: Meeting-Registrierung (Zoom). Paul Celan wurde am 23….
Literaturwissenschaftliche Fachtagung
Pädagogische Hochschule Burgenland in Kooperation mit dem Österreichischen Jüdischen Museum Eisenstadt
Paul Celan wurde am 23. 11. 1920 in Czernowitz geboren und starb (vermutlich) am 20. 4. 1970 in Paris. Somit jährt sich 2020 sein Geburtstag zum 100. und sein Todestag zum 50. Mal. Als Sohn deutschsprachiger jüdischer Eltern wurde er im Nationalsozialismus in einem Arbeitslager festgehalten und später, als er ins jüdische Ghetto Czernowitz zurückkehrte, zu Zwangsarbeit im Straßenbau verpflichtet. Seine Todesfuge zählt zu den zentralen Werken der Lyrik des 20. Jahrhunderts.
Diese Fachtagung widmet sich dem aktuellen literaturwissenschaftlichen Forschungsstand zu Paul Celan.
Begrüßung:
Vizerektorin HS.-Prof. Mag. Inge Strobl-Zuchtriegel, MAS MSc, PH Burgenland
MMMag. Dr. Christopher Meiller, Jüdisches Museum Eisenstadt
Moderation: HS-Prof. Mag. Dr. Eva Maltrovsky, Prof. Mag. Dr. Martin Hainz und MMag. Dr. Lukas Pallitsch
9.10 – 10.10 Uhr: Prof. em. Dr. Leonard M. Olschner, Queen Mary University of London: Celan lesen, Celan denken. Fünf Thesen zur vorläufigen Lektüre.
Bei diesem Referat geht es um das Thematisieren der Schwierigkeiten bei der Lektüre von Celans Lyrik und das Erkennen von möglichen Textzugängen zur Lektüre.
10.10 – 10.30 Uhr: Kaffeepause
10.30 – 11.30 Uhr: Dr. habil. Christine Ivanovic, Universität Wien: Eine Art Heimkehr.
Celans „Meridian“ beschreibt eine Kreisbewegung, die im Durchgang durch das Fremde in sich selbst zurückkehrt. Diese Figur der Heimkehr soll im Kontext der Philosophiegeschichte von Aristoteles über Hegel bis Lacoue-Labarthe evaluiert und an einzelnen Gedichtbeispielen aus dem Werk Celans belegt werden.
11.30 – 12.30 Uhr: Univ.-Doz. Mag. Dr. Artur R. Boelderl, Universität Klagenfurt: „Alles ist mehr, als es ist“ – Musil und Celan.
Der Vortrag folgt den Spuren des poetischen „Übermaßes der Innigkeit“ (Hölderlin), dem Umstand also, dass „alles, was ist, im Übermaß ist“ (Bataille), zu jenem „Nullpunkt der Literatur“ (Barthes), an dem das Sein und die Zeichen konvergieren, und legt das Augenmerk darauf, wie diese Konvergenz im sonst sehr heterogenen literarischen Schaffen Musils („Alle unsere Erlebnisse sind mehr, als wir erleben“) und Celans („Alles ist mehr, als es ist, alles ist weniger“) zum Tragen kommt.
12.30 – 14.00 Uhr: Mittagspause
14.00 – 15.00 Uhr: Prof. Dr. Dr. h.c. Andrei Corbea-Hoisie, Al. I. Cuza-Universität, Iasi (Rumänien): Um Celans „rumänische Büffel“. Nochmals über die Entstehung des Gedichtes Coagula.
Eine Reflexion zum Verhältnis des Dichters zu seiner geistigen Umgebung und intellektuellen Ausbildung. Gegenüberstellung Celan’scher Äußerungen mit der dichterischen Verwertung des Konzepts „Mitteleuropa“ in den 80 Jahren. Eine ideengeschichtliche Analyse.
Moderation: Lukas Pallitsch
15.00 – 16.00 Uhr: Prof. Dr. Markus May, Ludwig-Maximilians-Universität München: Rot- und Judenwelsch. Zu Paul Celans Gedicht „Eine Gauner- und Ganovenweise“.
Mit dem Gedicht „Eine Gauner- und Ganovenweise“ aus Paul Celans Band „Die Niemandsrose“ setzt sich der Autor mit den Mitteln extremer Polyphonie gegen die Plagiatsvorwürfe der Witwe Goll zur Wehr. Die Analyse der Sprachgestalt offenbart das Muster einer spezifischen Approbation, das heteronome Stereotypen subversiv umzudenken und im Sinne einer Selbstzuschreibung umzucodieren in der Lage ist.
16.00 – 17.00 Uhr: Prof. Mag. Dr. Martin A. Hainz, PH Burgenland: „Keinmaleins“. Hoffentlich dialogische close readings zu und mit Paul Celan.
Worte sind zu lesen, um sie wieder in Funktion zu setzen: diese „Alarmsignale“ nämlich. „»Schreiben« heißt nichts anderes als sie in Funktion setzen.“ (W. Benjamin)
Dies ist das im Vortrag zu rekonstruierende Anliegen Celans, der unermüdlich als Leser Wörter und Worte so setzte, dass sie wieder etwas genau zeigten, das zuvor nur mehr metaphorisch war, und zwar genau in dem Sinne, dass die Uneigentlichkeit, die freilich unhintergehbar ist, ihnen wieder abzulesen war, aber auch, wie sie zu dem, was es eigentlich zu sagen geben möge, jedenfalls stehen.
Das Österreichische Jüdische Museum lädt herzlich ein zur Lesung und Diskussion von: Scholem Alejchems Tewje, der Milchmann Wann: Sonntag, 19. Jänner 2020, 14 Uhr Wo: Österreichisches Jüdisches Museum Scholem Alejchems…
Das Österreichische Jüdische Museum lädt
herzlich ein zur
Lesung und Diskussion von:
Scholem Alejchems Tewje, der Milchmann
Scholem Alejchems „Tewje, der Milchmann“ wurde vor allem in der Adaption von „Anatevka“ weltberühmt.
Wir lesen, erläutern und diskutieren Auszüge aus dem jiddischen Klassiker.
Das Österreichische Jüdische Museum lädt im Rahmen des Europäischen Tages der jüdischen Kultur 2019 herzlich ein zur Lesung “ … etwas zähes Judentum ist noch in mir, nur hilft es…
Das Österreichische Jüdische Museum lädt im Rahmen des
Europäischen Tages der jüdischen Kultur 2019
herzlich ein zur
Lesung
“ … etwas zähes Judentum ist noch in mir, nur hilft es meistens auf der Gegenseite.“
Einführende Worte: Alfred Schmidt
Lesung: Charlotte Aigner
Wann: Sonntag, 01. September 2019, 10.30-11.30 Uhr
Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, im Judentum einen der bestimmenden Bezugspunkte in Franz Kafkas Schreiben ‒ und Leben ‒ zu sehen. Für Walter Benjamin waren die jüdisch-kabbalistische Tradition einerseits, die Erfahrung des entfremdeten modernen Großstadtmenschen andererseits, die beiden weit von einander entfernten Brennpunkte, um die Kafkas Schreiben sich bewegt. Doch war jenes „zähe Judentum“, das er selbst noch in sich spürte, ein vielfach gebrochenes. Denn schon für die Vätergeneration, Angehörige des zu Wohlstand gelangten deutschsprachigen Prager Bürgertums, war die eigene Tradition bereits zu einem äußerlichen Festhalten an sinnentleerten, mitunter bis zu grotesken Komik sich steigernden religiösen Gebräuchen verkommen. ‒ Kafkas persönliches Ringen um ein erneuertes, authentisches Verhältnis zum Judentum äußert sich in vielen biographischen Details, wie etwa seinem wachen Interesse an der zionistischen Bewegung. Viel schwieriger ist es allerdings den Einfluss des Judentums auf Kafkas literarisches Schaffen zu bestimmen, wo das Thema kaum ja explizit auftaucht, und doch in so vielen Texten ungreifbar gegenwärtig zu sein scheint.
Die Lesung versucht sowohl den biographischen als auch den literarischen Zeugnissen von Kafkas vielschichtigem Verhältnis zum Judentum nachzugehen.
Die IKG.KULTUR und das Österreichische Jüdische Museum laden im Rahmen des Europäischen Tages der jüdischen Kultur 2019 herzlich ein zur Eröffnung der Rudolf Gelbard-Bibliothek und anschließend zur Lesung mit Katharina…
Die IKG.KULTUR und das Österreichische Jüdische Museum laden im Rahmen des
Europäischen Tages der jüdischen Kultur 2019
herzlich ein zur
Prof. Rudolf Gelbard („The man on the Balcony“) wurde 1930 in Wien geboren und als Kind mit seinen jüdischen Eltern 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert. Als eines der wenigen Kinder überlebte er die Internierung in Theresienstadt und setzt sich seit seiner Befreiung als Mitglied der Sozialdemokratischen Freiheitskämpfer für die Aufklärung über die NS-Verbrechen ein. Neben seiner laufenden Tätigkeit in Schulen, auf Symposien und in Lehrveranstaltungen war er auch als Mitglied der Kulturkommission der Israelitischen Kultusgemeinde tätig.
Für seine Verdienste und seine aufklärerische Vortragstätigkeit wurde er von der Republik Österreich mit dem Berufstitel Professor und weiteren Auszeichnungen, darunter die Joseph-Samuel-Bloch-Medaille, geehrt. Seit 2008 wird vom Republikanischen Club ‒ Neues Österreich der „Rudolf Gelbard Preis für Aufklärung gegen Faschismus und Antisemitismus“ vergeben. Gelbard selbst war der erste Preisträger dieser Auszeichnung.
Prof. Rudolf Gelbard starb am 24. Oktober 2018 in Wien. Für das Österreichische Jüdische Museum in Eisenstadt ist es eine große Ehre, die Privatbibliothek von Prof. Gelbard in seinen Räumlichkeiten präsentieren zu dürfen.
Franz Werfels Romanfragment „Cella oder Die Überwinder“ entstand in den Jahren 1938/39, am Beginn des werfelschen Exils (er starb 1945 in Beverly Hills).
Werfels Roman, der zahlreiche historische und zeitgeschichtliche Bezüge zum burgenländischen Judentum herstellt bzw. in freier Form verarbeitet, erzählt die Geschichte des jüdischen Eisenstädter Rechtsanwalts Bodenheim und seiner Familie in den Wirren des Jahres 1938 ‒ in Summe: ein „jüdischer Heimatroman“ (N. Abels) als Geschichte des Heimat-Verlustes:
Das Land, aus dem wir vertrieben wurden, heißt das Burgenland, die Hauptstadt dieses Landes, in der wir lebten, heißt Eisenstadt. Diese Hauptstadt ist nur ein lächerliches Landstädtchen, eine Stunde von Wien entfernt. Niemand in der weiten Welt kennt auch nur den Namen. Wenn jetzt in der Fremde dieser Name unter uns fällt, dann zucken wir die Achseln und sagen: Drecksnest. Wer diese Heimat verloren hat, der hat nicht viel verloren. Trotzdem geschieht es bis zum heutigen Tage oft, dass ich vom Burgenland und von Eisenstadt träume…
Franz Werfel: Cella oder Die Überwinder. Versuch eines Romans. [Gesammelte Werke in Einzelbänden.] Frankfurt a.M. 1997, S. 271/Vorkapitel
Franz Jolesch starb am 25. Juli 1961 in Santiago de Chile und ist am jüdischen Friedhof daselbst in Sektor R, Reihe 5, Nummer 24 begraben. Im Friedhofsregister ist Franz Jolesch…
Franz Jolesch starb am 25. Juli 1961 in Santiago de Chile und ist am jüdischen Friedhof daselbst in Sektor R, Reihe 5, Nummer 24 begraben.
Im Friedhofsregister ist Franz Jolesch eingetragen, die Messingbuchstaben der Grabinschrift sind bis auf zwei Zahlen verschwunden (gestohlen?). Allerdings macht die Rückseite des Grabsteines sicher, dass es sich wirklich um den Grabstein von Franz Jolesch handelt:
In Liebe
Deine Kató
Grabstein Franz Jolesch, 25. Juli 1961, jüdischer Friedhof Santiago de Chile
Grabstein Franz Jolesch, Rückseite, 25. Juli 1961, jüdischer Friedhof Santiago de Chile
Schon ganz am Anfang des ersten Kapitels von Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“ wird der Tante Lieblingsneffe Franz vorgestellt:
Was nun die Tante Jolesch selbst betrifft, so verdanke ich die Kenntnis ihrer Existenz ‒ und vieler der von ihr überlieferten Aussprüche ‒ meiner Freundschaft mit ihrem Neffen Franz, dem lieben, allseits verhätschelten Sprößling einer ursprünglich aus Ungarn stammenden Industriellenfamilie, die seit langem in einer der deutschen Sprachinseln Mährens ansässig und zu beträchtlichem Wohlstand gelangt war. Franz, bildhübsch und mit einer starken Begabung zum Nichtstun ausgestattet (das er nur dem Bridgespiel und der Jagd zuliebe aufgab), muß um mindestens zwölf Jahre älter gewesen sein als ich, denn er hatte bereits am Ersten Weltkrieg teilgenommen und wurde von seinen gleichaltrigen Freunden auch späterhin noch scherzhaft als ‚Seiner Majestät schönster Leutnant‘ bezeichnet. Ich war wiederholt auf dem mährischen Besitz seiner Familie zu Gast … Die einrückenden Deutschen hatten ihn 1939 als Juden eingesperrt, die befreiten Tschechen hatten ihn 1945 als Deutschen ausgewiesen. Man könnte sagen, daß sich auf seinem Rücken die übergangslose Umwandlung des Davidsterns in ein Hakenkreuz vollzog. Er verbrachte dann noch einige Zeit in Wien und übersiedelte schließlich nach Chile, wo er bald darauf an den Folgen seiner KZ-Haft gestorben ist. Die Tante Jolesch hat das alles nicht mehr erlebt…
Als wir vor einigen Jahren einer 1939 von Wien nach Santiago de Chile emigrierten Dame, die vor einigen Tagen ihren 90. Geburtstag feierte, das Buch „Tante Jolesch“ übergaben, rief sie erfreut nach dem Lesen der ersten Zeilen über den Neffen Franz: „Ja, ich habe Franz Jolesch noch persönlich gekannt“.
Selbstverständlich wusste Torberg sehr wohl, dass Franz 1961 in Chile verstorben ist ‒ und nicht kurz nach seiner Ankunft in Chile ‒, er hatte seiner Frau Katharina (Kató) zum Tod von Franz Jolesch kondoliert.
Dennoch kann man verstehen, warum Torberg dieses Detail der Biografie umgeschrieben hat. Er wollte zeigen, dass Überlebende der Konzentrationslager oft recht bald an den dort erlittenen physischen und psychischen Wunden verstorben sind. Auch sie sind Opfer der Schoa. [1]
Schon vor gut fünf Jahren hatten sich Robert Sedlaczek mit der Tante Jolesch sowie Georg Gaugusch mit der Genealogie zur Familie Jolesch, die er für das Buch von Sedlaczek zur Verfügung stellte, intensiv beschäftigt [2] ‒ (beide Autoren nennen allerdings weder ein genaues Sterbedatum noch den Begräbnisort von Franz Jolesch).
Franz Jolesch (s. Porträtfoto auf geni.com), geb. 20. Dezember 1898 in Wiese bei Iglau (IKG Pirnitz, Mähren), nach Buchenwald deportiert, dort befreit worden, gest. 25. Juli 1961 in Santiago de Chile, am jüdischen Friedhof daselbst begraben.
Vater: Emil Jolesch, Textilfabrikant, geb. 10. Juni 1868 in Wiese bei Iglau, gest. 20. Jänner 1935 in Wien Mutter: Olga Zeisl, geb. 18. April 1879 in Gablonz an der Neisse (Böhmen), am 23. Juli 1942 von Prag ins Ghetto Theresienstadt deportiert und am 01. September 1942 von dort nach Raasiku (Estland) und ermordet (Schoa-Opfer)
1. Ehefrau: Anna Louise Gosztonyi de Abalehota, römisch-katholisch, geb. 06. März 1906 in Wien, gest. 04. Juli 1998 in Wien, begraben 16. Juli 1998 am Döblinger Friedhof 11/5/6.
Die Hochzeit mit Franz Jolesch fand am 07. Jänner 1927 in Budapest statt (Ehe wurde am 09. September 1935 geschieden, s.u.):
Matriken Hochzeit Franz Jolesch und Luiza Anna Gosztonyi, Budapest, 07. Jänner 1927
Budapest als Hochzeitsort wurde vom Vater gewählt, der gegen die Hochzeit war und tags darauf bei einem Notar in Wien ein Testament aufsetzen ließ, das Franz Jolesch auf den Pflichtteil reduzierte [3].
Louise hatte bei der Hochzeit mit Franz Jolesch schon eine kurze Ehe hinter sich: Heirat am 10. August 1924 mit (Anton) Georg Boschan, geb. 21. November 1895 in Wien II, Sohn des Weingroßhändlers Franz Boschan aus Baja (Ungarn) und der Aranka Weiss aus Neutra. Die Ehe wurde geschieden. Anton Georg Boschan wurde nach Buchenwald deportiert und am 15. November 1944 ermordet (Schoa-Opfer).
Nach der Scheidung von Franz Jolesch am 09. September 1935 (Bezirksgericht Iglau) war Louises 3. Ehemann der österreichische Komponist, Schönberg-Schüler und „politisch sowie künstlerisch einer der engsten Weggefährten Bert Brechts“[4]Hanns Eisler, geb. 06. Juli 1898 in Leipzig, gest. 06. September 1962 in Ost-Berlin:
Die Hochzeit fand am 07. Dezember 1937 in Prag statt und wurde 1954 (so Georg Gaugusch, März 1955 lt. Wikipedia) in Wien geschieden.
Am 22. September 1955 heiratete Louise ihren 4. Ehemann, den Schriftsteller und kommunistischen Politiker Ernst Fischer, geb. 03. Juli 1899 in Komotau (Böhmen), gest. 31. Juli 1972 in Prenning bei Deutsch-Feistritz (Steiermark; Beisetzung der Urne am 31. August 1972 auf dem Wiener Zentralfriedhof).
Übrigens: Es war ‒ laut Friedrich Torberg ‒ Louise, die Lieblingsnichte der Tante Jolesch, die versuchte, der Tante Jolesch am Totenbett das Rezept ihrer berühmten Krautfleckerl zu entlocken:
Und dann also nahte für die Tante Jolesch das Ende heran, ihre Uhr war abgelaufen, die Familie hatte sich um das Sterbelager versammelt, in die gedrückte Stille klangen murmelnde Gebete und verhaltenes Schluchzen, sonst nichts. Die Tante Jolesch lag reglos in den Kissen. Noch atmete sie.
Da faßte sich ihre Lieblingsnichte Louise ein Herz und trat vor. Aus verschnürter Kehle, aber darum nicht minder dringlich kamen ihre Worte:
‚Tante ‒ ins Grab kannst du das Rezept ja doch nicht mitnehmen. Willst du es uns nicht hinterlassen? Willst du uns nicht endlich sagen, wieso deine Krautfleckerln immer so gut waren?‘
Die Tante Jolesch richtete sich mit letzter Kraft ein wenig auf:
‚weil ich nie genug gemacht hab…‘
Sprach’s, lächelte und verschied.
2. Ehefrau (von Franz Jolesch): Katharina (Catalina, Kató) Zahler, geb. 08. Juli 1912 in Kaschau (damals Ungarn, heute Košice, Slowakei), gest. 16. März 1989 in Wien III, Rudolfspital (Wohnort: Wien I, Mahlerstraße 3/5/20, begraben 28. März 1989 am Zentralfriedhof Wien 4. Tor 18a/36/26).
Die Hochzeit muss kurz nach der Scheidung von Franz Jolesch von seiner ersten Frau Anna Louise Gosztonyi de Abalehota (s.o.) stattgefunden haben.
Am 19. Februar 1936 sucht sie schon als Katharina Jolesch um einen Pass an. Als die Nazis die ‚Rest-Tschechei‘ besetzten, fliehen beide nach Kaschau. Nach dem Krieg geht das Ehepaar zunächst nach Wien, im April 1949 schiffen sie sich von Liverpool nach Chile ein[5]
In Chile konnte sich Franz Jolesch offensichtlich in der ihm angestammten Textilbranche eine neue Existenz aufbauen. 1957 waren Franz und Kató Jolesch auf einen Besuch in Wien, wo sie sehr wahrscheinlich auch Friedrich Torberg trafen[6].
Nach Franz Joleschs Tod blieb Kató noch eine Zeit lang in Chile, danach offensichtlich in New York und kehrte schließlich nach Wien zurück, in jene Stadt, wo auch Louise, die erste Frau von Franz Jolesch lebte[7].
Am 5. April 1975 schreibt sie [Kató, Anm. d. Verf.] Torberg. Soeben habe sie einen Anruf von einer Freundin bekommen, die ihr die ‚liebevollen Erinnerungen an den Franzl‘ vorgelesen habe: ‚Ich bin ganz gerührt und will mich schön bedanken. Er hat Sie sehr geliebt. Jetzt kommt eine unbescheidene Bitte. Könnte ich als letzte Jolesch ein gewidmetes Exemplar vom liebsten Autor [er]bitten? Viel Glück und alles Liebe. Herzlichst Ihre Kató Jolesch.‘
Torberg antwortet gleich am 7. April: Jetzt geht er in die Offensive ‒ um sich spätere Diskussionen zu ersparen. Kató Jolesch hat zu diesem Zeitpunkt das Buch ja noch nicht gelesen. ‚Liebe Kató, das war eine freudige Überraschung von Ihnen zu hören, und das gewünschte Widmungsexemplar geht mit gleicher Drucksachenpost an Sie ab. Sie werden übrigens merken, daß die Tante Jolesch kein Abbild der wirklichen ist, sondern eine symbolische Figur. Wirklich ist, was über den Franzl drinsteht. Ich bin glücklich, ihm und unserer Freundschaft auf diese Weise ein kleines Denkmal gesetzt zu haben…‘ [8]
[1] Robert Sedlaczek, Die Tante Jolesch und ihre Zeit. Eine Recherche, Innsbruck-Wien 2013, 248 [Zurück zum Text (1)]
Das Österreichische Jüdische Museum lädt im Rahmen des Europäischen Tages der jüdischen Kultur 2018 herzlich ein zur Buchpräsentation „Das steinerne Archiv von Ivančice“ von und mit Ludwiga Reich. Wann: Sonntag,…
Das Österreichische Jüdische Museum lädt im Rahmen des
Europäischen Tages der jüdischen Kultur 2018
herzlich ein zur
Buchpräsentation „Das steinerne Archiv von Ivančice“
von und mit Ludwiga Reich.
Wann: Sonntag, 02. September 2018, 10.30-11.30 Uhr
Ein wunderbares Buch und spannende Geschichten, die bedeutende und berühmte Geschichte einer der ältesten jüdischen Gemeinden Mährens und vor allem die faszinierenden und engen Beziehungen zur jüdischen Gemeinde Eisenstadt:
Denn der zweifellos berühmteste Sohn von Ivančice (Eibenschütz) ist Jonathan Eybeschütz, geb. 1690 in Krakau, gest. 1764 in Altona, Wunderkind, Rabbiner, Talmudist, Kabbalist und eine der zentralen Persönlichkeiten der jüdischen Geschichte. Jonathans Vater Nathan war seit ca. 1700 Rabbiner in Eibenschütz und starb dort 1702 sehr jung. Jonathan wurde zunächst an die Jeschiwa nach Prossnitz in Mähren geschickt, wo damals niemand Geringerer als Meir Eisenstadt Rabbiner war. Nach einer Zwischenstation an der Jeschiwa in Holleschau ging Jonathan Eybeschütz 1710 nach Wien, wo er bei Meir Eisenstadts Förderer Samson Wertheimer vorhatte zu studieren. Wertheimer wollte Jonathan mit seiner Tochter verheiraten, dieser ging jedoch nach Prag, wo er Elkele, die Tochter von Rabbi Isaac Spira ehelichte. Über Hamburg kam er zurück nach Prag, Zwistigkeiten innerhalb der jüdischen Gemeinde führten ihn weiter nach Metz und Fürth, und 1750 wurde er schließlich Oberrabbiner von Altona, Hamburg und Wandsbeck.
Jüdischer Friedhof Ivancice
Jüdischer Friedhof Ivancice
Jüdischer Friedhof Ivancice
Auf dem heutigen jüdischen Friedhof von Ivančice – es gab mehrere Vorgängerfriedhöfe – befinden sich etwa 1.800 Grabsteine. Der Friedhof ist der älteste in Mähren und – nach Prag und Kolin – der drittälteste der Tschechischen Republik. Der Zahl stehen allerdings ca. 4.350 seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verstorbene Personen gegenüber, deren Grabstellen entweder abhanden gekommen sind oder auch nie existiert haben (Kindergräber?).
Jüdischer Friedhof Ivancice
Jüdischer Friedhof Ivancice
Jüdischer Friedhof Ivancice
Unter den Ehrengräbern an der Westmauer des Friedhofes finden wir große Namen: Rabbi Beer Oppenheim, der nach 31 Jahren des Wirkens 1859 in Eibenschütz verstarb und in dessen Amtszeit auch die alte Synagoge abgerissen und neu errichtet wurde. Oberkantor Wilhelm Löwensohn war ein Verwandter des in den USA lebenden Komponisten und Dirigenten Hugo David Weisgall. Hugo Weisgall, geb. am 13. Oktober 1912 in Ivančice, soll als Kulturattache der US-Botschaft in Prag als erster ausländischer Dirigent angeblich die Prager Philharmonie bei einem großen Konzert dirigiert haben. Bekannt sind auch seine Werke wie die „Soldier Songs“ und „The Dying Airmen“ und „Futility“, die er unter dem Eindruck des Holocaust und der Konzentrationslager komponierte. Auffällig besonders die monumentale Grabstätte der Familie Bauer, der bedeutendsten Unternehmerdynastie von Brünn. Ihr Begründer Aron Hersch Bauer wurde 1779 in Ivančice geboren, war an der Kohleerzeugung beteiligt und trieb die Industrialisierung der Zuckererzeugung voran. Oder Joachim Adler, außergewöhnlich beliebter Arzt, dessen Sohn Guido Adler, geb. am 01. November 1855, in Wien aufwuchs, erst als Jurist arbeitete, sich dann aber ausschließlich der Musik widmete, bei Anton Bruckner studierte und selbst der Lehrer von Anton Webern und Egon Wellesz war.
Die Namensliste ließe sich noch lange fortsetzen. Darunter – wir bleiben bei der Musik – auch die Vorfahren väterlicherseits von Fritz Gulda – damals noch mit „K“ – oder Schallinger, ein Name, der in Wien fast ein Jahrhundert lang mit Musik verbunden war.
Doch (auch) darüber wird uns die Autorin, Frau Ludwiga Reich, am 2. September mehr erzählen…
Am jüdischen Friedhof Ivancice
Am jüdischen Friedhof Ivancice
Am jüdischen Friedhof Ivancice
Ivančice – Eibenschütz: die alte Stadt mit (heute) gerademal 10.000-Einwohnern, hat eine lange und bemerkenswerte Geschichte, die wohl in erster Linie die Geschichte der Juden von Ivančice ist. Und selbst in der Literatur findet sie ihren Niederschlag, so oder so. Denn wer kennt ihn nicht: Joseph Roths Eichmeister Anselm Eibenschütz, der im Roman „Das falsche Gewicht. Die Geschichte eines Eichmeisters“ im nur 45km entfernten Mikulov (Nikolsburg) geboren wurde und nach Galizien ziehen musste… (Im Film „Das falsche Gewicht“ von Bernhard Wicki (1971) spielt übrigens Helmut Qualtinger den Anselm Eibenschütz).