Eine sport-geschichtliche Fußnote Im Februar 1924 wird der Wiener Hakoah ein kleines Schwesterchen geboren – tief im Osten, in der gerade erst österreichisch gewordenen burgenländischen Provinz: die Eisenstädter Hakoah („haKoah“…
Eine sport-geschichtliche Fußnote
Im Februar 1924 wird der Wiener Hakoah ein kleines Schwesterchen geboren – tief im Osten, in der gerade erst österreichisch gewordenen burgenländischen Provinz: die Eisenstädter Hakoah („haKoah“ = hebr. „die Kraft“). Es ist (nach allem, was wir wissen) ein Geschwisterchen mit vergleichsweise bescheidenem sportlichem Potential, das da im jüdischen Eisenstadt das Licht der (Vereins-)Welt erblickt, und doch – ausgestattet mit hehren Ambitionen und einigem regional-sportlichem Engagement: Im Dienst der
[k]örperliche[n] und geistige[n] Ertüchtigung der Eisenstädter jüdischen Jugend
soll der neue Verein stehen und sich außerdem der „Pflege der Kultur durch Veranstaltungen von gesellschaftlichen Zusammenkünften“ widmen, so bestimmen es die Gründungsstatuten der Hakoah, mit vollem Titel: „Eisenstädter Sport- und Geselligkeitsverein ‚Hakoah'“. Zu diesem Zweck sollen „Athletische Wettkämpfe“ arrangiert werden, ebenso „gesellschaftliche Zusammenkünfte, Unterhaltungen und Theateraufführungen“; und natürlich (und wohl an erster Stelle) soll auch gekickt werden in der Eisenstädter Hakoah (zitiert aus den „Statuten des Eisenstädter Sport- und Geselligkeitsvereines ‚Hakoah'“, Burgenländisches Landesarchiv).
Bild: Brief von Hakoah-Obmann Karl Schlesinger – mit Briefkopf und Siegel des Vereins (mit dem – inoffiziellen – Gründungsjahr 1923; Burgenländisches Landesarchiv)
Der große Namensvetter, die Wiener Hakoah (die u.a. auch in Graz und Innsbruck Ableger hatte), taugte da zweifellos als respektables, wiewohl unerreichbares Vorbild, krönte sie sich doch Mitte der 20er Jahre zum österreichischen Fußballmeister – da steckte der burgenländische Fußball und mit ihm die Eisenstädter Hakoah freilich noch in den Kinderschuhen …

Meisterschaftstabelle „Eisenstädter Kreis“
mit einem für die Hakoah allerdings eher
unerfreulichen Tabellenstand …
(Neue Eisenstädter Zeitung, 20. 07. 1924, 6)
Tatsächlich war das Burgenland (auch) in fußball-technischer Hinsicht ein Nachzügler: Erste ( mehr oder minder offizielle) Vereinsgründungen sind zwar schon ab 1907 (SC Eisenstadt) überliefert, ein burgenländischer Landesverband konstituierte sich aber erst 1923/24 – mit an Bord, ab der ersten Generalversammlung im März 1924, auch die eben erst gegründete Hakoah, die organisatorisch (klarerweise) dem „Kreis Eisenstadt“ zugewiesen wurde, wo man sich u.a. mit dem SV Mattersdorf/Mattersburg und dem Lokalrivalen SC („Freiheit“) Eisenstadt matchte …
(Vgl. Franz Just (Hg.): Der Fußballsport im Burgenland. (Von den Anfängen bis zur Jetztzeit) Eisenstadt 1970. S. 13-18, 231f., 429. Zur Übersicht auch: „Fußball im Burgenland„.)
Bemerkenswert auch: Mehrfach belegt ist ein „kombiniertes“ Antreten der beiden Eisenstädter Klubs – die Eisenstädter „Freiheit“ und die Hakoah fanden sich also, so scheint es, zu einer Eisenstädter „Stadt-Auswahl“ zusammen, und das durchaus mit Erfolg:
„Kombinierte“ Erfolge der Eisenstädter Klubs,
Neue Eisenstädter Zeitung, 15. Juni 1924, S. 6;
ebd., 25. Mai 1924, S. 4.

Und auch abseits des Fußballplatzes scheint sich die Hakoah nach Kräften in den gerade erst anlaufenden burgenländischen Sportbetrieb eingebracht zu haben – so etwa bei den ersten burgenländischen Leichtathletik-Meisterschaften im Juni 1926 …

„Pollitzer (‚Hakoah‘ Eisenstadt) 5,13 m“ (Weitsprung) – Ergebnisse der ersten burgenländischen Leichtathletik-Meisterschaften 1926, Neue Eisenstädter Zeitung, 27. Juni 1926, S. 5
Allerdings: Langes sportliches Glück war der Eisenstädter Hakoah nicht beschieden. Schon im Mai 1933, keine 10 Jahre nach Vereinsgründung, musste die Vereinsführung – Obmann Karl Schlesinger, Schriftführer Isidor Benedikt und Kassier Eugen Schneider (Vgl. auch Just a.a.O. S. 232) – die freiwillige Selbst-Auflösung der Hakoah vermelden: „Grund der freiwilligen Auflösung war Mitgliedsmangel. – Vereinsvermögen war nicht vorhanden“, heißt es lapidar in der entsprechenden Meldung des Hakoah-Vorstands an die Behörden (Brief vom 2. Mai 1933 an das Bundespolizeikommissariat Eisenstadt; Burgenländisches Landesarchiv).
Weiter verwundern muss der Mitgliedermangel nicht – immerhin zählte Eisenstadt in den 20er und 30er Jahren im Ganzen bereits weniger als 500 jüdische Einwohner… (vgl. Fritz Zimmermanns Übersicht zur Bevölkerungsentwicklung in Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden des Burgenlandes. Tel Aviv 1970. S. 133ff.)
Doch auch wenn damit die Tage der Hakoah gezählt waren: Gekickt jedenfalls wurde – das Foto beweist’s – bei der „Eisenstädter jüdischen Jugend“ auch weiterhin …

Kicken in der Eisenstädter Haydngasse: Fred Poll (rechts) und Heinrich Trebitsch, 1935; Fred Poll (eigentlich: Politzer), geboren 1921 in Eisenstadt, emigrierte 1939 nach England, später nach New York; Heinrich Trebitsch ist einer der wenigen jüdischen Rückkehrer nach Eisenstadt und lebt heute ebendort (vgl. und entnommen aus: Gert Tschögl u.a. (Hg.): Vertrieben. Erinnerungen burgenländischer Juden und Jüdinnen. Wien 2004. S. 155, 157).
Besten Dank an STANDARD-Redakteur Wolfgang Weisgram für den Hinweis auf die Eisenstädter Hakoah sowie an das Burgenländische Landesarchiv!